Kommunikation statt Lohn

Brainstorming in Zeiten realer Arbeitslosigkeit: Die Ausstellung „Arbeitsraum 1“ im Projektraum der Alten Feuerwache zeigt Arbeiten von Sebastian Bieniek, Ronald de Bloemes, Tatjana Doll, Jan Rohlf und anderen

Der Zulauf an den Kunsthochschulen wird immer größer, und immer mehr Leute mit abgeschlossener Berufsausbildung und womöglich schon einigen Jahren Berufserfahrung schreiben sich ein. Dieses Phänomen darf als signifikant dafür gelten, dass sich der Arbeitsbegriff verändert hat.

Ausgerechnet in Zeiten, in denen abhängige Arbeit als eines der knappsten Güter auf dem deutschen Markt gelten muss, setzt sich die postmoderne, postindustrielle Leitidee von Arbeit als Kommunikationsmittel und Lebensstil gegen den Begriff der Arbeit als Lohnarbeit mehr und mehr durch.

Das heißt natürlich nicht, dass unsere Gesellschaft auf diesen Wandel vorbereitet wäre. Der Frust um die Idee der Ich-AG zeigt das ebenso deutlich wie der Frust in der Situation realer Arbeitslosigkeit. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, mit einer der höchsten Arbeitssuchendenzahlen Berlins, ist das Thema Arbeit – für welche Arbeit bekommt man wo und wann welches Geld, welchen Spaß und auch welchen Hass – natürlich besonders virulent.

Und hier gibt es im Moment die Chance, den Arbeitsbegriff der Industriegesellschaft in dem der postmodernen Dienstleistungsgesellschaft – der man den Kunstbetrieb zurechnen darf – widergespiegelt zu sehen. Etwa im Video „Importexport“ von Sebastian Bieniek, in dem „West“-Promotion und illegales Zigarettenverkaufen sich zu einer ebenso hybriden Situation verknäulen, wie sie der Kung-Fu-Westernmix mit Jackie Chan evoziert, den der junge polnische Künstler in seine 13 Minuten Straßenvideo reingeschnitten hat. Bienieks Arbeit ist im „Arbeitsraum 1“ zu sehen, einer Ausstellung und Veranstaltungsreihe, die vom Kulturamt des Bezirks gefördert und von Meike Jansen kuratiert im Projektraum der Alten Feuerwache stattfindet.

Das thematische All Over bündelt sich gewissermaßen gleich in Ronald de Bloemes großformatigen Materialcollagen aus Malerei, Markisenstoff und Postsäcken aus aller Welt. Sie bringen nämlich althergebrachte Transportarbeit, modernen Warenverkehr mit seinen Chiffren und Piktogrammen und künstlerische Kommunikation in ungeheuer ästhetische Neo-Geo-Formen zusammen.

Die Chiffren unserer Ratlosigkeit hinsichtlich der aus den Fugen geratenen Arbeitswelt skizziert Oliver Grajewski – taz-Lesern durch seine Comic-Rezensionen aktueller Plattenveröffentlichungen bekannt – in seinem Comic „Die Arbeit ist nicht schlecht, sie ist nur voll“: Pflegeversicherung, Umschulung, Private Vorsorge, Kurzurlaub etc. sind die Stichwörter für seine rasanten Bildentwürfe.

Mit den Warnschildern und Piktogrammen, die unser Arbeitsleben begleiten, beschäftigt sich auch Tatjana Doll, die etwa das Zeichen für Feuerlöscher zum Monument hochmalt oder die Brandschutzordnung, falsch/richtig als zwölfteilige Edition anbietet.

Handy, Laptop, Computertastatur ziehen schließlich bei Jan Rohlf die „wetware“ hinter sich her, kurz den Menschen, der all diese Dinge bedient – sich womöglich ihrer bedient? Wo der Mensch bleibt, im Arbeitsalltag von Callcenter oder Altersheim und anderswo, dem forschen am 28. Mai fünf AutorInnen des Verbrecher-Verlags nach. Und am 4. Juni macht der Ton die Musik, Marc Weiser von Rechenzentrum und Frieder Butzmann zeigen zwei unterschiedliche Ansätze experimenteller Musik, die sich mit dem Thema Arbeit auseinander setzt.

Dazu kann man sich schon jetzt vorinformieren, im Ton- und Musikarchiv, das einen weiteren Teil der Ausstellung bildet und von zehn KuratorInnen mit Arbeiterliedern der etwas anderen Art bestückt wurden. Wahrscheinlich werden sich nach der Ausstellung ein paar Friedrichshainer Kids mehr an der UdK einschreiben wollen.

BRIGITTE WERNEBURG

Bis 7. Juni, Di.–Sa. 14–19, Mi. 10–19 Uhr, Alte Feuerwache, Marchleweskistr. 6; am 28. 5. um 21 Uhr: „arbeitsam(t)“ und am 4. 6. um 21 Uhr „Der Ton macht die Musik“, mehr Infos dazu im taz-plan