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: Grüße aus Mozarts Darm

„Bevor ich Ihnen schreibe, muss ich aufs Häusl gehen.“ Will das jemand wissen? Mozart ist davon überzeugt. Und dichtet tiefgründige Aphorismen: „Gemeint und geschissen ist zweierlei.“ Wie wahr. Auch über Dreck sinniert er – menschlichen Dreck. Er reimt ihn auf „schmeck“ und „leck“, spricht von dem Pfarrer, der die Köchin leckt. Wo? Na da, wo nur zwei Zeilen später der Dreck wieder herauskommt. Kein Zweifel: Irgendwas ist schief gelaufen in des Wunderkinds analer Phase. Denn auch wenn Mozart erst Anfang 20 war, als er seiner Kusine die neun erhaltenen Briefe schrieb, steht fest: So viel Liebe zum fäkalen Detail lässt sich mit postpubertärem Spaß am Deftigen nicht erklären – das hier ist Besessenheit.

Dass Mozarts Briefe ans „Bäsle-Häsle“, an die Augsburger Kusine Maria Anna Thekla, so lange tabu waren, wundert nicht, passten sie doch so gar nicht zu „Krönungsmesse“ und „Requiem“. Eine Late Night-Lesung im Kölner Theater im Bauturm will nun Schluss machen mit biographischer Prüderie – die Fakten kommen auf den Tisch: Christian Ingomar verliest die Briefe ungekürzt, kein Furz wird unterdrückt, jeder Toilettengang des Meisters plastisch miterlebt. Natürlich geht es nicht ausschließlich darum: Einmal mehr erweist sich Mozart als kreativ und dichtet witziges spätbarockes Dada – reimt „Prälat“ auf „Salat“, kommt in einem Satz von „sanft“ über „Sänfte“ zum „Senf“ und unterzeichnet als „Franz von Nasenblut“. Doch egal wie weit sich Mozart von seinem Lieblingsthema entfernt – schon nach wenigen Zeilen kehrt er zurück in die geliebten rektalen Regionen.

Christian Ingomar liest gut, findet das richtige Tempo, lässt keine Peinlichkeit aufkommen. Zwischen den Briefen kommentiert Ulrich Kisters Mozarts sprachliche Mätzchen musikalisch, spielt Klavier, Keyboard und Melodica, verwandelt Mozartweisen in experimentelle Spielereien – mal jazzig, mal tibetanisch, mal stilistisch unbeschreiblich. Eine Frage bleibt ungeklärt: Wie kommt einer darauf, der Kusine die eigene Darmtätigkeit so ausgiebig zu beschreiben? Wie auch immer – für die Lesung gilt Mozarts drastische Schlussformel: „ein Arsch voller Empfehlungen“. HOLGER MÖHLMANN

Mein Arsch brennt mich wie feüer“: 27. März, 23 Uhr, Theater im Bauturm, Köln, Aachener Str. 24, (0221) 524242