„Das würde keiner verstehen“

Kölner Staatsanwaltschaft hält Verurteilung von Norbert Rüther trotz Aktenpanne für möglich. Landgericht will heute über Fortgang des Müllskandalprozesses entscheiden

Köln taz ■ Die Kölner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Müllprozess trotz der Akten-Pannen fortgesetzt werden kann. Behördenleiter Jürgen Kapischke stellte sich gestern Nachmittag demonstrativ vor seine beiden Kollegen, die für die zunächst nicht bei Gericht eingereichten Papiere mit verantwortlich waren. Das Verfahren sei bisher rechtsstaatlich sauber gelaufen, sagte Kapischke. Das werde auch nicht durch die zusätzlichen Akten beeinträchtigt. Deshalb müsse der Prozess wie geplant weiter laufen.

Denkbar wäre eine Unterbrechung für zunächst 30 Tage, führte Kapischke aus. Zeitgleich saß Richter Martin Baur mit seinen Schöffen zur Beratung im Landgericht und will sein Ergebnis bei der Verhandlung heute Morgen bekannt geben.

Einen Freispruch für den früheren SPD-Politiker Norbert Rüther, wie er von Richter Baur bereits am Dienstag ins Gespräch gebracht wurde, wolle man jedenfalls nicht akzeptieren, sagte Kapischke: „Es kann nicht sein, dass angesichts dieser gravierenden Schuldvorwürfe irgendwann einmal eine Entscheidung ergeht, die dem nicht gerecht wird. Das würde keiner verstehen. Und das würde auch den strafprozessualen Grundsätzen und unserer Verfassung nicht gerecht. Darauf wird die Staatsanwaltschaft zu achten haben.“ Die Akten seien als Beweise nicht relevant, stützte Kapischke erneut die Haltung der Staatsanwälte. Auch wenn der Richter das anders sehe, werde man diese Position weiter vertreten.

Deutlich verwahrte sich der Leiter der Ermittlungsbehörde gegen Vorwürfe, man habe die Akten zurück gehalten, um die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Ulrich Eisermann nicht zu gefährden. Es gebe eine Reihe weiterer Indizien, die gegen Rüther sprechen, meinte Kapischke.

Das Ansehen seiner Behörde sei durch die möglichen Fehler und vor allem durch die öffentliche Berichterstattung deutlich beschädigt, gab er zu. Durch konsequente Aufklärung eventueller Versäumnisse wolle er aber dazu beitragen, das in Kürze wieder zu verbessern. Angesichts zahlreicher laufender Verfahren gegen Politiker des Kölner Stadtrates und des Landtages betonte Kapischke Zurückhaltung in den bevorstehenden Wahlkämpfen. Frank Überall