Autofahrers Knutschzone

ADAC entdeckt sein Herz für Radler: Kiel, Bremen und Hannover gehören zu den fahrradfreundlichen Städten in Deutschland, Lübeck liegt im Mittelfeld. Untersuchung in 22 Großstädten kommt zum Ergebnis, dass vieles noch viel besser werden muss

von SVEN-MICHAEL VEIT

Wenn die Autofahrerlobby ADAC das sagt, muss es wohl stimmen: „Deutschlands Städte tun zu wenig für den Radverkehr“, so das erstaunlich klingende Fazit von ADAC-Vizepräsident Günter Knopf. Dies ergebe sich aus einer Untersuchung des Automobilclubs in 22 deutschen Großstädten, die gestern in München präsentiert wurde. Danach rangieren die norddeutschen Landeshauptstädte Kiel, Hannover und Bremen mit der Gesamtnote „gut“ im Spitzendrittel auf den Rängen 2, 4 und 6, Lübeck und Rostock folgen mit „durchschnittlich“ auf den Mittelfeldplätzen 12 und 13. Einsam an der Spitze liegt mit „sehr gut“ erwartungsgemäß die westfälische Radlerhochburg Münster (Details siehe Kasten).

Insgesamt habe der Test „überwiegend Grautöne und nur einige Lichtblicke“ ergeben, resümierte Knopf. In den meisten untersuchten Städten gebe es lediglich „ein Grundangebot mit halbwegs befriedigenden Bedingungen für Radfahrer“. Als wichtigste Mängel seien erhebliche Lücken im Radwegenetz und viel zu wenig Abstellplätze für Räder vor allem in den Innenstädten zu konstatieren.

Enorme Bedeutung

Grund für die Untersuchung sei die „enorm gestiegene Bedeutung des Fahrrads als städtisches Verkehrsmittel“, welche der Autofahrerclub nicht ignorieren wolle. Im Schnitt mache der Anteil der Radfahrten neun Prozent des Verkehrsaufkommens aus, im Norden ergaben sich deutlich überdurchschnittliche Werte von 15 bis 17 Prozent, für Bremen wird der Anteil des Radverkehrs gar mit 22 Prozent angegeben. Wie sehr eine gute Infrastruktur das Umsteigen auf das Fahrrad befördert, zeigt der Spitzenwert Münsters: 35,2 Prozent aller Fahrten werden dort inzwischen mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Deshalb, so die Forderung des ADAC, sollten die Kommunen eindeutig mehr für die Förderung „dieses umweltfreundlichen Verkehrsmittels“ tun und sich dabei „nicht auf Billiglösungen“ beschränken. Vordringlich sei der Neu- und Ausbau von Radwegen, die häufig „zu schmal und schlecht beschildert sind“. Zur Steigerung der „Attraktivität“ des Radfahrens seien, so Knopf, zudem neue Fahrradstationen mit Reparaturservice speziell an Bahnhöfen hilfreich.

Bei alledem hat die Autofahrerlobby nicht einfach selbstlos ihr Herz für Radler entdeckt. Deshalb gehört die „deutliche Trennung“ von Fahrbahnen und Radwegen weiterhin zu den Grundforderungen des Vereins. Untermauert wird dies mit einer Umfrage unter je 2.200 Auto- und Radfahrern. Während 29 Prozent der automobilen Befragten dieser Forderung zustimmen, wurden Radfahrer danach gar nicht befragt. Nicht zufällig steht nämlich die Errichtung von Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen anstelle von kombinierten Fuß- und Radwegen ganz oben auf der Wunschliste des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Die Radlerlobby argumentiert seit Jahren vor allem mit einer höheren Sichtbarkeit und somit Sicherheit der Radfahrer. Zudem fordert fast die Hälfte der Autofahrer, die Benutzungspflicht von Radwegen „konsequenter durchzusetzen“ – auch dies eine Frage, welche Radlern erst gar nicht gestellt wurde.

Einig jedoch sind sich beide Gruppen laut der ADAC-Umfrage bei den Ampelschaltungen an Kreuzungen. Eine frühere Grünphase für Radler wird als Sicherheitsmaßnahme von allen Beteiligten befürwortet. Weshalb der ADAC abschließend an die Gemeinsamkeiten appelliert. Es müsse „ein Miteinander geben“, so Kopf, „kein Gegeneinander“. Allein schon wegen der unterschiedlichen Knautschzonen.