Terrorangst liegt in der Luft

Ein Koffer steht am Bahnhof Zoo, Flaschen liegen am Großen Stern. Und der Forschungsreaktor in Zehlendorf hat kein flugzeugsicheres Dach. Doch auch in Zeiten des Terrors ist nicht jede Gefahr real

VON UWE RADA

Hat nach dem Abbruch der Afrikareise von Bundespräsident Johannes Rau die Terrorgefahr zugenommen? Aus Geheimdienstkreisen hieß es gestern: Ja. Die Islamisten machten keinen Unterschied mehr, wer zur „Koalition der Willigen“ der Amerikaner im Irakfeldzug gehöre oder nicht, meldete die Nachrichtenagentur ddp unter Hinweis auf Geheimdienstkreise. Die Gefahren für Deutschland und an dessen Spitze die Bundeshauptstadt Berlin würden nun als „erheblich“ eingeschätzt

Da müssen Meldungen wie die des RBB-Magazins „Klarttext“ alarmierend wirken. Der Forschungsreaktor des Hahn-Meitner-Instituts in Zehlendorf, zitiert das Magazin den Leiter der Abteilung für Nukleartechnik und Anlagensicherheit am Darmstädter Öko-Institut, Christian Küppers, sei unzureichend gegen einen Terroranschlag aus der Luft geschützt. Küppers forderte deshalb eine Betonabschirmung für den Reaktor. Aus technischer Sicht müsse „unter Umständen ein völlig neues Gebäude“ errichtet werden.

Der Reaktor selbst sei ausschließlich mit einer leichten Überdachung versehen. Damit bestehe, so „Klartext“, nach Expertenmeinung im Falle eines Terror-Angriffs mit einer Passagiermaschine die unmittelbare Gefahr einer Kernschmelze und der Verseuchung der Umgebung. Im Einzugsgebiet des Reaktors leben rund 200.000 Menschen.

Sowohl die Grünen als auch der Physiker und Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, forderten erneut die sofortige Stilllegung des Reaktors. Die gegenwärtige Hülle sei bestenfalls in der Lage, die Anlage gegen Schneefall zu schützen, sagte Pflugbeil.

Wolfgang Bergfelder, Abteilungsleiter in der für die Atomaufsicht zuständigen Senatsumweltverwaltung, bestätigte, dass der Reaktor gegen einen Flugzeugabsturz nicht ausreichend gesichert sei. Dennoch bestehe „keine unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung“. Ein Absturz oder gezielte Attacken von Terroristen seien auch nach dem 11. September 2001 als sehr unwahrscheinlich eingestuft worden.

Auch der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, warnte gegenüber der taz vor einer zunehmenden Hysterie. „Nicht alles, was in unserer Fantasie anschlagsrelevant ist, können wir schützen“, sagte Ratzmann. „Wir müssen nicht so tun, als befänden wir uns in einem Kriegszustand und warten jetzt nur noch auf den ersten Angriff.“ Er lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Politik von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Eine Kompetenzverlagerung der Arbeit in den Verfassungsschutzämtern zugunsten der Bundesebene sei sinnvoll, sagte Ratzmann. Das Gleiche gelte für die von Körting angekündigte Abschaffung der Schleierfahndung. Ratzmann wörtlich: „Ich warne davor, eine Debatte zu beginnen, der zufolge offene Gesellschaften anfälliger für Terror sind als Gesellschaften, in denen Bürgerrechte eingeschränkt werden.“

Zur Politik der Innenverwaltung gehört es auch, alle Eventualitäten auszuschließen. Dies führte gestern früh am Großen Stern im Tiergarten zum Großeinsatz der Polizei. Ein Passant hatte in einem Gully an der Hofjägerallee Flaschen mit Schläuchen entdeckt und die Polizei alarmiert. Die rückte mit Sprengstoffexperten an und sperrte das Gelände weiträumig ab. Ergebnis des Einsatzes: Die verdächtigen Objekte dienten der Messung der Schadstoffbelastung der Luft. Bereits am Vorabend war der Bahnhof Zoo wegen eines verdächtigen Koffers kurzfristig geräumt worden.