Allein unter Neandertalern

Als erste Profigolferin in der Geschichte des Schlägerschwingersports tritt die Schwedin Annika Sörenstam, 32, heute beim Turnier der männlichen Weltelite im texanischen Fort Worth an

von BERND MÜLLENDER

Als Golfprofi Annika Sörenstam (32) am Montag im Colonial Country Golf Club im texanischen Fort Worth erwartet wurde, beäugten unzählige Neugierige wie Detektive alle Limousinen. Ob sich die Schwedin vielleicht darin versteckt hat? Kommt sie per Helikopter? Spät will sie jemand auf dem abgelegenen Übungsplatz gesehen haben. Sicher ist: Sie war wie ein Staatspräsident durch einen Hintereingang auf die Anlage gelotst worden und hat den gesamten Umkleidetrakt der Damen für sich allein.

Eine Frau spielt bei den Männern mit. Erstmals seit dem kurzfristigen Auftritt einer Amateurin in Los Angeles vor 58 Jahren. Die Zahl der akkreditierten Journalisten hat sich auf fast 600 mehr als verdreifacht gegenüber 2002. Sports Illustrated schlagzeilte über die plötzliche Annikamania: „Lasst die Raserei beginnen.“

Die Geschichte nahm ihren Lauf im Februar. Die freundliche, aber glamourarme Schwedin, die das Frauengolf seit Jahren mehr dominiert als Tiger Woods bei den Männern (2002 gewann sie 13 von 25 Turnieren), hatte beiläufig gesagt, sie würde gern mal bei einem Major-Turnier der Männer mitmachen – als Test, als Herausforderung: „Wenn ich eine Einladung bekäme, ich würde sofort ja sagen.“ Die Texaner hatten sich umgehend gemeldet. Seitdem tobt ein kontroverser Meinungskrieg, der in Gods Own Chauvi Country zu einer Schlacht der Geschlechter hochstilisiert wurde. US-Medien fantasierten, wie Sörenstam zu einer Freundin sagt: „Pass auf, wie viele aufgeblasene männliche Windbeutel den Gockel geben, wenn sie hören, eine Frau spielt mit.“

Gedacht, getan: „Ein Zebra ist in das Revier eines Löwen eingedrungen“, gab der Zimbabwer Nick Price, Titelverteidiger und erster Platzhirsch, wildnisbewandert zu Protokoll. US-Profi Scott Hoch missgünstig: „Hoffentlich scheitert sie am Cut.“ Vijay Singh aus Fiji stellte klar: „Sie gehört nicht auf die Tour“; falls er, der große Singh, mit ihr zusammen auf die Runde gelost würde, werde er sich weigern. „Das ist eine Männerveranstaltung.“ CNN stellte fest: „Er klang wie ein Neandertaler.“ Am Montag zog der Gesinnungsprimat Singh seine Teilnahme plötzlich zurück – wegen einer Frau. Seiner nämlich. Der habe er mehr Privatleben versprochen.

Sörenstam hat die Spitzzüngigkeiten aus dem Land der Y-Chromosomen klugerweise nicht kommentiert. Die Schwedin hat in ihrer Karriere bislang elf Millionen Dollar Preisgeld eingespielt und sämtliche Rekorde gebrochen. Das Problem nur: Kaum wer interessiert sich für Frauengolf. Und so bis zum Februar auch kaum für Sörenstam, die in in ihrer Heimat zu den populärsten Sportlern überhaupt zählt und mit ihrem Konterfei sogar eine Briefmarke ziert. Vordergründig geht es um hintergründige Grundsatzfragen: Ist Sörenstams Teilnahme ein Fortschritt für die Emanzipation? Doch bald beschleicht einen der Verdacht der Inszenierung.

Auf dem Schreibtisch ihres Managers Mark Steinberg, der auch Tiger Woods betreut, war insgesamt ein Dutzend Einladungen gelandet. Der Vermarkter stellte fest: „Die Erste zu sein, ist dem kommerziellen Wert bestimmt nicht abträglich.“ Der Manager weiß ohnehin, wie man Geld mit dem Geschlechterkampf macht. Vor Jahresfrist organisierte er in der kalifornischen Wüste das „Battle of Bighorn“, ein Spaßduell zwischen seinen Kunden Sörenstam und Woods und dem Duo Karrie Webb / David Duval. Der Show-Showdown brachte riesige TV-Quoten – und den SpielerInnen Millionenschecks.

Auch Fort Worth freut sich. Sörenstam garantiert dem Turnier Aufmerksamkeit wie nie. Die großen Fernsehsender haben pro Tag jeweils zwei Stunden zusätzliche Sendezeit reserviert. Sörenstam freut sich über neue Verträge, unter anderem mit DaimlerChrysler, die ihr geschätzte 2,5 Millionen Dollar einbringen. Südafrikas Oldie Gary Player hat erkannt: „Ob man es nun mag oder nicht: Golf ist Show-Business.“ Sörenstam („Ich habe eine Bringschuld“) hat, Männer inklusive, den exaktesten und geradesten Golfschlag der Welt. Aber sie kommt nicht so weit wie die männlichen Haudraufs. Deshalb hat sie ihr Trainingpensum erweitert, intensiv Gewichte gestemmt und ihre Abschläge binnen Jahresfrist um zehn Prozent auf durchschnittlich 245 Meter Länge verbessert. Damit liegt die 1,67 Meter kleine Frau mit Shorthitter Bernhard Langer gleichauf.

Sörenstam hat bewusst Fort Worth ausgesucht: Der altmodische Platz fordert weniger Kraft, sondern Finesse und Gefühl. Er ist mit 6.300 Metern sehr kurz – für Männerverhältnisse; aber immer noch zehn Prozent länger als im Schnitt bei den Frauen. Die Herausfordererin weiß: Auf 95 Prozent aller übrigen PGA-Kurse „hätte ich keine Chance“. Dass Sörenstam („Ich bin neugierig, ob ich mithalten kann“) im Mittelfeld landen kann, trauen ihr manche zu. Tiger Woods sagt: „Wenn sie den Cut schafft, werde ich applaudieren.“ Jeder einzelne Mann, der hinter ihr platziert ist, wird zum Gespött werden, insbesondere wenn es ein Großmaul wie Hoch oder Price erwischt. Denn nichts gilt im US-Machosport als demütigender als die Niederlage gegen eine Frau.

So stehen die Männer aus Angst vor solcherart Blamage unter viel größerem Druck. Allerdings hat der Auslosungscomputer den ganz großen Starthype verhindert: Heute gehen erst mal zwei unbekannte Rookies mit Sörenstam auf Runde 1. Nicht qualifizieren konnte sich übrigens Profigolfer Brian Kontak. Bockig meldete er sich für das US-Damen-Masters an, wenn Frauen jetzt schon, so sein Spruch, „uns verdienten Veteranen den Platz streitig machen“. Das Problem nur: Das Reglement der Frauentour schließt Männer ausdrücklich aus.