Die unglaublichen Abenteuer von Franklin Flyer

Mit Groschenheften und genialen Erfindungen gegen Nazis: Nicolas Christophers neuer Roman bedient sich bei der Pulp-Kultur der Dreißigerjahre

Comics, Groschenhefte, Popmusik. Es ist fast schon ein kleines Genre geworden: Romane junger amerikanischer Autoren, die den lange verfemten Spielarten der Populärkultur zu literarischen Weihen verhelfen. Da gab es vor zwei Jahren Michael Chabons großartiges Buch „Die aufregenden Abenteuer von Kavalier & Clay“, das in den USA den Pulitzerpreis bekam und auch in Deutschland gefeiert wurde. Im vergangenen Jahr kam „The Fortress of Solitude“ von Jonathan Lethem heraus, von der New York Times zum Roman des Jahres gekürt.

Und es gibt „Franklin Flyer“ von Nicolas Christopher, seit dem Erscheinen des hochgelobten „Eine Reise zu den Sternen“ auch in Deutschland einer der bekanntesten jungen New Yorker Autoren. Ein historischer Roman, der nicht nur mit der Ästhetik der Groschenhefte, Comics und des Film noir spielt, sondern die Produktion dieser Pulp-Kultur auch als Kulisse für seine Handlung nutzt.

Sein titelgebender Held, Franklin Flyer, baut nach einigen Irrungen und Wirrungen in den USA der Dreißigerjahre ein Groschenheft-Imperium auf. Nebenbei ist er aber auch noch Weltreisender und genialer Erfinder, was ihn zu einer unschlagbaren Allzweckwaffe im Kampf gegen die Nazis macht. Da Flyer von seinen Reisen her ohnehin noch ein paar Rechnungen mit den Nazis und ihren Handlangern offen hat, macht er natürlich liebend gerne mit, lässt sich vom Geheimdienst anwerben und nach Europa schicken, nachdem er in den USA schon einige Nazischurken erledigt hat.

Die Groschenhefte kommen nicht nur im Roman vor, der Roman bedient sich auch bei den Stilmitteln der Popkultur der Dreißigerjahre. Da gibt es zwischen verlassenen Schuppen im Hafengelände Prügeleien unter dunklen Typen, glamouröse Partys bei reichen Unternehmern, wo im Hinterzimmer miese Deals abgemacht werden und geheimnisvolle Labore verrückter Wissenschaftler, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen.

Das ist aber nicht alles. Nicolas Christopher ist auf eine interessant durchgedrehte Art und Weise gleichzeitig amerikanischer Patriot und äußerst links. Uramerikanisch und gut sind Kommunisten und Gewerkschafter, unamerikanisch und böse sind Nazis und ihre Handlanger, etwa einige raffgierige Unternehmer. In seiner ungebrochenen Sympathie für den New Deal liest sich das, als sei seit der Wahl Roosevelts zum Präsidenten politisch nichts wirklich Wichtiges mehr passiert.

Diese Politik ist aber – ganz ähnlich wie in „Die Reise zu den Sternen“ – von anderen Motiven durchsetzt. So spielen immer wieder Symbole des alten Ägypten mit hinein, und so bezieht sich Christopher gern auch mal auf die Zeit vor der Aufklärung. Und der selbstverständliche Antifaschismus des Buchs leitet sich aus einer magischen Ordnung des Universums ab. Alles hängt mit allem zusammen.

Wenn Flyer am Anfang des Romans ein Foto findet, kann man davon ausgehen, dass dieses Foto gegen Ende des Romans noch einmal zu Ehren kommen wird. Wenn er irgendwo in Südamerika ein junges Mädchen vor ihrem gewalttätigen Vater rettet, kann man sicher sein, dass sie sich wiedertreffen werden und sie sich beim ihm revanchierenwird. Alles muss immer ausgeglichen werden, nichts passiert einfach nur so. An diesen Stellen fehlen dem Buch dann die Beiläufigkeit und die Coolness der eingebauten Popkultur. Da fehlen ihm dann auch der Trash-Aspekt und der Witz, die der Popkultur fast immer innewohnen.

TOBIAS RAPP

Nicolas Christopher: „Franklin Flyer“. Aus dem Amerikanischen von Pociao und Roberto de Hollanda, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004, 395 Seiten, 24 €