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: Das schwule Ohr

Die Soziologie des Musikgeschmacks ist krass heterosexuell besetzt. Homosexuelle aber hören anders

Neulich behauptete ein Kritiker, im Grunde gäbe es keine richtige Unterscheidung zwischen Mädchen- und Jungsmusik – beide Geschlechter tun nur so, als zankten sie sich um Belle & Sebastian, um Christina Aguilera oder die Strokes. Denn das Gros beider Geschlechter will ja füreinander gemacht sein – insofern tun inszenierte Geschmacksdifferenzen gut, rein flirt- oder betttechnisch beispielsweise.

Man möchte beide Mehrheitsmilieus allerdings wissen lassen: Die anderen Mädchen und Jungs hören und sehen die Dinge anders. Lesbische Mädchen schätzen Melissa Etheridge, k. d. lang oder die Indigo Girls. Das liegt allein daran, dass alle drei Acts für weiblichen Aufbruch, für Unerschrockenheit und Mut stehen. Britney Spears und Madonna? Alles nur Pose!

Und die Jungs, die Jungs bevorzugen? Mögen Pop, also keine E-Gitarren. Raue Gesten und Rock nur dann, wenn etwas Zartes durchschimmert: Deshalb gibt es auch einen schwulen Fanclub von Creedence Clearwater Revival, nicht von Motörhead. Und deshalb bekommt Rob Halford, Exsänger der krachledernen Metal-Truppe Judas Priest, nach seinem Coming-out keinen Fuß mehr auf den Boden.

Und was ist mit jenen Frauen, die von Homos geliebt werden, den Streisands, Minellis und Midlers dieser Welt? Modelle von gestern. Figuren aus einer Zeit, als Tränen schon als Widerstandsgesten galten. Keine gute Musik. Das ist der schmale Steg zu den Heterojungs – über den jene, balztechnisch betrachtet, leider doch nie gehen. JAF