Wer schützt uns eigentlich?

Terrorismus wie aktuell der islamistische provoziert Debatten um akute Sicherheitsgefährdungen: Werden wir genug geschützt? Ja, reichlich. Aber vollständige Garantien vor Anschlägen gibt’s keine

VON OTTO DIEDERICHS

Der islamistische Terrorismus ist in Deutschland angekommen. Mit den mutmaßlichen Plänen eines Attentats auf Bundespräsident Johannes Rau sogar ganz dicht. Schon nach den Bombenanschlägen in Madrid war der Terror für unser Sicherheitsgefühl nahe. Näher als nach den Anschlägen vom September 2001 in den USA. Und jetzt Rau. Also wird erneut über eine Änderung der bisherigen Sicherheitsstruktur nachgedacht. Geschützt wird aber schon an allen Ecken, denn das Netz ist eng gewebt.

Da ist zunächst die Bundeswehr. Sie schützt die Freiheit Deutschlands heute am Hindukusch wie auch am Horn von Afrika. Ein neues „Luftsicherheitsgesetz“ soll es der Luftwaffe zudem im Inland ermöglichen, gekaperte Flugzeuge abzuschießen. Aber auch die Bundeswehr benötigt Schutz. Für diesen ist der hauseigene „Militärische Abschirmdienst“ (MAD) zuständig.

An der Spitze des breit gefächerten Sicherheitssystems innerhalb der Landesgrenzen steht die Polizei. Uniformierte Schutzpolizisten sichern den Verkehr in Stadt und Land, auf Autobahnen und Wasserstraßen; helfen Kindern und alten Leuten über die Kreuzung und verfolgen Kleinkriminalität. Menschen vor größeren Schurken zu schützen, ist Aufgabe der Kriminalpolizei. Ihre Zentralstelle zur Sammlung und Auswertung aller dabei anfallenden Daten ist das Bundeskriminalamt (BKA).

Da es aber ganz unterschiedliche Gangster gibt, ist auch die Kripo in diverse Fachabteilungen gegliedert. Eine ist der „Polizeiliche Staatsschutz“, der auch für die Terroristenabwehr zuständig ist und daher gerade jetzt viel zu tun hat. Bereitschaftspolizeien und Bundesgrenzschützer (BGS) fehlen auf keiner Demonstration und sorgen dort für Ruhe und Ordnung. Mit der Küstenwache sichert der BGS auf Nord- und Ostsee die Gestade und verfolgt dabei nebenbei noch gewissenlose Kapitäne, die ihre Öltanks kostengünstig ins Meer reinigen.

Die Beamten der ebenfalls zum BGS gehörenden Bahnpolizei sind auf jedem größeren Schienenstrang präsent, während seine „Air Marshalls“ dafür sorgen sollen, dass der Fluggast auch tatsächlich dort sicher ankommt, wo er hinwollte.

Auch der Zoll, dem Finanzministerium unterstellt, ist nicht mehr darauf beschränkt, Reisende nach Zigaretten zu fragen. Mit seinem „Zollkriminalamt“ (ZKA) verfügt er seit Jahren über einen eigenen Fahndungsapparat und kooperiert mit Polizeibehörden und Geheimdiensten.

Wo dies alles nicht reicht, drehen private Sicherheitsdienste ihre Runden. Da sie preisgünstigen Schutz versprechen, werden auch sie immer beliebter.

Wenn’s brennt, kommt die Feuerwehr, und will ein Fluss partout nicht in seinem Bett bleiben, rückt das „Technische Hilfswerk“ (THW) an. Wächst ihm die Sache über den Kopf, helfen Bereitschaftspolizei und BGS – und der Verteidigungsminister schickt dann Wehrpflichtige.

Geschützt wird auch im Verborgenen. Als Auslandsgeheimdienst sucht der Bundesnachrichtendienst (BND) weltweit nach Informationen. Erfährt er dabei etwas über terroristische Gruppierungen oder Aktionen, teilt er dies dem Verfassungsschutz (VfS) mit. Mit einem Bundesamt und 16 Landesämtern sind dessen Schattenkrieger für die geheime Aufklärung im Landesinnern zuständig.

Der bereits erwähnte MAD steuert seine militärischen Erkenntnisse zur Lage der Truppe bei. Alle drei gemeinsam verstehen sich als „Frühwarnsystem“ der Bundesregierung. Dirigiert wird das Orchester von einem „Geheimdienstkoordinator“.

Dennoch wird nach neuen Mustern gesucht. Die CDU möchte die Bundeswehr künftig zur Terrorabwehr im Innern einsetzen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) setzt auf moderne Technik wie biometrische Daten in Ausweisen. Zudem möchte er die heimischen Sicherheitsbehörden bündeln, um Informationsverluste zu minimieren und sie insgesamt schlagkräftiger zu machen, auch auf EU-Ebene.

Das gefällt auch den Grünen. Die Gewerkschaft der Polizei ruft nach mehr Personal. All dies hören die Bürger zumeist gern. Verdrängen lässt sich dabei nämlich, dass auch mit noch so viel Aufwand und Personal Anschläge wie in Madrid nicht zu verhindern sein werden.

Islamistische Selbstmordattentäter sind schwer zu stoppen: Auto oder Koffer mit Sprengstoff voll laden und reinfahren/-gehen: peng! Wer sich über den Rückzug keine Gedanken machen muss, braucht kaum Logistik – Planungshandlungen bleiben deshalb meist unerkennbar.

Wie in technische Höchstleistungen wird auch in jede (sicherheits)-politische Architektur die Katastrophe gleich mit eingebaut. Damit werden wir wohl lernen müssen zu leben.