US-KOMMISSION ZUM 11. 9.: DIE WICHTIGSTEN FRAGEN FEHLEN NOCH
: Schwache Beleuchtung

Eine spannende Lehrstunde über das Handwerk der Politik ist derzeit in Washington zu erleben. Wie haben die US-Regierungen unter Bill Clinton und George W. Bush versucht, der Gefahr durch das islamistische Terrornetzwerk Ussama Bin Ladens zu begegnen? Das wollte die Nationale Kommission über die Anschläge des 11. September von den Verantwortlichen selbst erfahren. Haben sie genug getan, haben sie rechtzeitig Druck auf Länder wie den Sudan, Pakistan oder Saudi-Arabien ausgeübt, um wenigstens zu versuchen, den Al-Qaida-Chef zu kontrollieren?

Antworten darauf fielen den Ministern und Regierungsberatern nicht gerade leicht. Auch die Macht der USA stößt an Grenzen, wenn das Selbstverständnis anderer Staaten wie des saudischen Königreichs oder von Institutionen wie dem pakistanischen Militär in Frage gestellt wird. Die Anhörungen zeigen, wie schwierig es für die Verantwortlichen war, mit dem kaum zu fassenden Phänomen der islamistischen Terrorgruppen umzugehen. Das ist das große Verdienst dieser Kommission, die gegen den Willen der Bush-Administration gebildet wurde.

Aber ihr Untersuchungsauftrag ist begrenzt, und sie ignoriert die grundsätzlichen Fragen, die in den letzten Jahren zu Recht immer wieder von Intellektuellen in Europa oder der arabischen Welt gestellt werden. War es richtig, in den Achtzigerjahren die fundamentalistischen und antidemokratischen Gotteskrieger mit Milliarden Dollar zu unterstützen, um die sowjetischen Truppen aus Afghanistan zu vertreiben? Wo liegen die Wurzeln des tief sitzenden Hasses, den die US-Regierung spätestens seit dem ersten Anschlag auf das World Trade Center 1993 erkennen konnte? Kann es ein Ende dieses Hasses ohne eine Lösung des Nahostkonflikts geben? Wenn in den kommenden Tagen auch Clinton und Bush vor die Kommission treten, werden hoffentlich auch solche grundsätzlichen Fragen gestellt. Bleiben sie unbeantwortet, liegen die Verdienste der Kommission nur in der Beleuchtung der Regierungspolitik, nicht in der Diskussion um Amerikas Rolle in der Welt. STEFAN SCHAAF