RADFAHREN ZUR ARBEIT IST ANSTRENGEND UND MACHT OFT KEINEN SPASS
: Montagmorgen statt Sonntagmittag

In Deutschland bewegt sich nichts? Von wegen. Der Allgemeine Automobilclub Deutschland stellt seine Rangliste der fahrradfreundlichen Städte vor. Das wäre noch vor ein paar Jahren grotesk gewesen. Doch heute verstehen sich nicht nur der ADAC, sondern auch der Radfahrclub ADFC, die Bahn und manchmal sogar die Autobauer als Dienstleister in Sachen Mobilität. Alle bieten sie Pakete an, in denen Flugzeug, Auto und Fahrrad miteinander kombinierbar sind, um von A nach B zu kommen oder um Urlaub zu machen. Das ist gut so.

Aber was wir eigentlich brauchen, sind mehr Radfahrer im Alltag – auf dem Weg zur Arbeit beispielsweise. Denn neben Radwanderwegen gibt es inzwischen eine Menge Radwege in den Städten, einen nationalen Radverkehrsplan und das Ziel, den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen zu verdoppeln. Die Infrastruktur wird besser, auch wenn sie jetzt unter der Geldnot der Kommunen leidet. Die Herausforderung für Verkehrspolitiker und Werbestrategen besteht nun darin, den Menschen, die höchstens ihre 21-Gänge-Mountainbikes im Keller stehen haben, dieses Fahrrad jeden Tag unter den Hintern zu schieben. Da helfen keine Kampagnen, die beschwören, dass Radfahren Spaß macht und gesund ist. Wer in der Stadt fährt, kennt die Nervereien mit aggressiven Autofahrern und das Gesundheitsrisiko für Radler bei blinden Rechtsabbiegern.

Das Fahrrad bietet gegenüber dem Auto in der City trotzdem Vorteile. Es ist kostenlos, Parkplätze sind kein Problem, und die Fahrt ins Büro weckt die müden Geister. Oder andersherum: Autofahren ist teuer, verschwendet Zeit und Benzin und verlängert den Stress noch um die Zeit der Heimfahrt. Was zählen müsste, ist nicht mehr der Sonntagmittag mit Aussicht auf die Radtour ins Grüne, sondern der bedeckte Montag, an dem man zur todlangweiligen Besprechung ins Büro strampelt. Kampagnen für mehr Fahrradnutzung müssen ehrlich damit umgehen, dass Fahrradfahren nicht immer die reinste Freude ist – sondern dass Autofahren noch viel teurer, langweiliger, umweltfeindlicher und ungesünder ist. BERNHARD PÖTTER