pampuchs tagebuch
: Hautnahe Philosophie

„Modell Letter-Print. Cleanes, schlichtes Design, aufgelockert durch einen Allover Uncover Schriftzug, steht in der Serie Letter-Print für die gelungene Reduktion auf das Wesentliche. Die Farbgebung Schwarz und Weiß unterstützt die pure Optik. Die Hip Short wird durch Hip Slip und String Form ergänzt.“ Richtig, es geht um eine Unterhose. Um das Highlight Nr. 1 der Herren-Tagwäsche von Schiesser, Modell Letter-Print eben. Buchstaben auf der Unterhose, elegant, allein und jeder für sich, keine lästigen Wörter – die gelungene Reduktion der Literatur auf das Wesentliche. So sieht es jedenfalls bei www.schiesser.com: „Schiesser … alles, was Sie berührt.“

 Auf Anraten meiner Bekannten L. bin ich einen Vormittag lang in die Welt der Wäsche eingetaucht. L. macht gerade einen Weiterbildungskurs in Online-PR und wollte meine Meinung zu den wichtigsten Wäsche-Netzseiten. Dort würden nämlich gerade Fachkräfte gesucht. Ich bereue nichts, doch nach einer Stunde In-der-Wäsche-Wühlen komme ich mir ein bisschen vor wie ein Onlinefetischist. Dabei kann ich versichern, dass ich seit Jahr und Tag alle Werbebroschüren einschließlich Wäschereklame immer sofort wegschmeiße. Gedruckte Werbung macht mich nicht an, da können die Models noch so schön sein.

 Aber gilt das auch für Webwerbung? Der Selbstversuch mit schiesser.com und – als Vergleich und Härtetest – www.triumph.de lässt mich unsicher werden. Schon dass ich es so lange auf diesen Seiten ausgehalten habe, spricht für ihre Klebewirkung. Dabei muss jedoch vermerkt werden, dass Schiesser wie Triumph mit endlosen Intros arbeiten. Langsam, ganz langsam bauen sich die Seiten auf und erzeugen damit einen Erwartungsdruck, der dem eines Pornofilmes nicht unähnlich ist. Bevor etwa bei triumph.de das erste Wäschestück zu sehen ist, rollen zu rhythmisch-animalischer Shubidu-dididudda-Klopfmusik rote und graue Kugeln, werden klein und wieder groß, wiegen sich rote und schwarze Schattenrissdamen im Tanze, kreischen Möwen und blüht die Triumph-Krone. Erst dann erscheint in Rollschrift um eine Kugel fliegend das kryptische Motto „Für den Körper für die Si… Um so richtig satt an die Wäsche zu kommen, heißt es also gehörig warten. Doch es lohnt sich, denn nun kann man das große Wäsche-Abc – von „Aqua Bra“ bis „Zick-Zack-Naht“ – einsehen oder sich leicht bekleidete Grußkarten und Bildschirmschoner herunterladen.

 Bei Schiesser ertönt zunächst ein Regenguss, ein Mädchenporträt taucht auf, und eine Geisterhand schreibt irgendetwas Lyrisches vom Regen, der auf der Haut zerplatzt, bevor man zur Kollektion, zur Firmengeschichte oder zu Rubriken wie „Philosophie“ gelangt. Doch viel mehr, als dass Firmengründer Jacques Schiesser bereits 1875 in Radolfzell dekretierte, dass man sich „wohl in seiner Haut fühlen“ solle, ist nicht zu erfahren. Beim Nachhaken unter „Markenphilosophie“ kommt nur die Dauermitteilung „Warten Sie, die Seite wird geladen“. Ich habe abgebrochen, ich weiß ja, dass Schiesser seine Philosophie bereits auf seine Letterprint-Hipshort geschrieben hat.

 Wäsche bestellt habe ich nicht. L. aber, die mal Germanistik und kreatives Schreiben studiert hat, werde ich sagen, dass es noch viel zu tun gibt. Allerdings eher für Anglisten und Philosophen. Aber auch für Shubidubidada-Text.

THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com