In der Revival-Hölle

Kitty, Daisy & Lewis im Admiralspalast: Blues und Rock ’n’ Roll zwischen Gediegenheit und Pomade

Der Blues ist wieder da. Und der Ragtime. Und der Swing. Und der Rock ’n’ Roll auch. Jede dieser alten Popmusiken erfährt immer wieder ein Revival, schließlich leben wir in der epigonalen Epoche. Kriterien wie Originalität und Authentizität sind aufgebrochen, unmöglich geworden, und doch finden sich immer wieder Subkulturen, die auf ebendiese Prinzipien zurückkehren möchten. Den Blues gibt es nur in echt. Er muss vom schwarzen Mann gespielt sein, verrauscht aufgenommen, auf schwarzes Vinyl gepresst, er sollte vor 1968 erschienen sein. Sollte er von jungen Leuten nachgespielt werden, müssen die Bezüge stimmen. Die Roots sind wichtig, die Mittel sind wichtig. Kitty, Daisy & Lewis die im Rahmen des Swing-Samstagabends im Admiralspalast spielten, erfüllen die Kriterien weitgehend. Ihr Debüt ist auf alten Instrumenten mit sehr alten Mitteln in einer wahnsinnig alten Küche aufgenommen. Die drei jungen Leute aus London halten sich an die Vorgaben.

Blues/Rock ’n’ Roll/Swing, das konnte man im schicken Admiralspalast schön beobachten, funktioniert ein wenig wie Karneval, der unter dem Diktat der Coolness agiert. Die Cats sind die Cats. Die Damen tragen knappe Röcke, hohe Schuhe, interessante Frisuren. Sie stellen Burschikosität und Bestimmtheit zur Schau oder huldigen der eben verstorbenen Pin-up-Ikone Betty Page. Die Herren haben ausrasierte Nacken, Koteletten und massig Pomade im Haar, dazu oft Hüte und karierte Hemden. Es ist wie 1956, manchmal auch wie 1948, seltener wie 1965. Der Blues vereint Subkultur mit Gediegenheit, einer Auffassung von Wochenendschick und Aufbrezelung, die den meisten anderen nach 1968 entstandenen Subkulturen (Hippies, Punks, Grunge-Slackern etc.) mit Ausnahme der Grufties eher fremd ist.

Kitty, Daisy & Lewis traten gegen halb zwölf auf die Bühne, das Publikum musste einen ganzen Ablauf eher peinlicher Vornummern (Stripper, Steptänzer etc.) ertragen, bis endlich das Konzert losging. Kitty, Daisy & Lewis sind drei verschwisterte Teenager, die mit Mama am Bass und Papa an der Gitarre antreten. Wobei Papa Graeme Durham heißt und ein Tonstudio besitzt, Mama Ingrid Weiss hat bei den legendären Raincoats am Schlagzeug gesessen. Einzig nicht familiärer Gast an diesem Abend war der Trompeter Eddy „Tan Tan“ Thornton, ein älterer Jamaikaner und gute wie lustige Ergänzung der Band. Gespielt wurde quer durch die Wurzelwelt dieser stets strengen, aber immer swingenden Musiken, von „Honolulu Rock-A Roll-A“ bis zu „Hillbilly Music“, von Hawaii in die Südstaaten mit einem Ausflug in den Ska und zurück. Auf der Bühne stimmte bei weitem nicht alles: Kitty glänzte an der Mundharmonika und schwächelte als Gitarristin. Lewis zeigte sich als guter Bluesgitarrist, wies aber keine besonders prägnante Singstimme auf. Daisy, die Älteste, spielte ein gutes, minimalistisches Drumset und konnte singen, sollte das mit dem Glockenspiel aber noch perfektionieren. So wirkte das Tun des knapp postpubertären Trios sehr charmant, und hin und wieder rissen sie durch tolle Stücke mit. Mehr war es im Grunde nicht.

Der Höhepunkt ihres Sets war natürlich der Eingangshit ihrer Platte. Eine Ausnahme der Regel. „Going Up the Country“ ist eine ordentliche Bluegrass-Nummer, im Original aber von Canned Heat und genau 1968 veröffentlicht. Die Kitty, Daisy & Lewis Version lässt das Stück noch mal mindestens zehn Jahre älter wirken. Und das vierzig Jahre später. Bizarr. RENÉ HAMANN