Studierende auf der Flucht

Die Fachhochschulen haben zum neuen Semester deutlich weniger Studierende. Auch die Unis rechnen mit massenhaften Exmatrikulationen und bereiten schon mal die sozialen Einschnitte vor

VON MIRIAM BUNJES

Thomas Kremers schlimmste Befürchtungen sind vergangene Woche wahr geworden: Jeder vierte Studierende der Fachhochschule Düsseldorf hat sich für das neue Semester nicht mehr zurückgemeldet. „Ein paar Tage Rückmeldefrist gibt es ja noch“, sagt der AStA-Referent. „Sehr viel wird sich an diesen Zahlen aber nicht mehr ändern.“

Woran diese plötzliche Stu-dienunlust liegt, ist offensichtlich: 3.200 Gebührenbescheide wurden zum Jahresbeginn an die Düsseldorfer HochschülerInnen verschickt. 2.000 davon haben jetzt die Konsequenzen gezogen und ihr Studium aufgegeben. „Eine schreiende Ungerechtigkeit“, findet Thomas Kremer. „Sie haben ihr Studium unter anderen Voraussetzungen begonnen, bekommen jetzt trotzdem die Rechnung serviert.“

Der AStA selbst kann zur Zeit gar keine Rechnungen zahlen: Über den Haushalt wurde eine absolute Sperre verhängt. Denn durch die zahlreichen Exmatrikulationen fließt sehr viel weniger Geld in die studentische Selbstverwaltung: Schließlich finanzieren ASten sich und ihre sozialen und kulturellen Angebote durch die in den Semestergebühren enthaltenen Sozialbeiträge – und die bezahlen in Düsseldorf jetzt 2.000 Studierende weniger. „Wir werden unseren Service deutlich zurückfahren“, sagt Thomas Kremer deshalb. „Es wird weniger AStA-Referenten geben, weniger Beratungsangebote und weniger Infoveranstaltungen.“

Mit solchen Einschnitten müssen Studierende in der ganzen Region rechnen: Durchschnittlich 10 Prozent ihrer HochschülerInnen haben allein die Fachhochschulen verloren. Und die haben deutlich weniger Mahnbescheide an ihre Studierenden geschickt: Durchschnittlich jeder sechste Fachhochschüler aus dem Ruhrgebiet soll die ungeliebten 650 Euro zahlen. An den Unis müssen fast doppelt so viele ran.

Oder eben nicht. Noch laufen die Rückmeldefristen an den Universitäten, wo das Semester einen Monat später beginnt. Erste Ahnungen von der Studierendenflucht haben die zuständigen Verwaltungsangestellten jedoch schon. „Vorsichtig geschätzt: Wir werden etwa 8.000 bis 10.000 Studierende verlieren“, sagt Jakob König, Pressesprecher der Ruhruniversität Bochum. Und auch Norbert Frie von der Münsteraner Universität rechnet mit Exmatrikulationen in ähnlicher Größenordnung. „Wir müssen schließlich ein Viertel unserer Studierenden zur Kasse bitten“, sagt Frie. „Die meisten werden sich wohl für immer von der Universität verabschieden.“

Und dann wird Studieren für alle teurer. „Ob wir das Mensaessen und die Wohnheimsplätze weiterhin so billig zur Verfügung stellen können, ist zweifelhaft“, sagt Christian Puslediek vom Dortmunder Studentenwerk. Man könnte auch „ausgesprochen unwahrscheinlich“ sagen, findet Ernest Hammerschmidt, Koordinator des Landes-ASten-Treffens NRW: „Es wird für alle sozialen Dienstleister durch das Wegbleiben der Studierenden deutlich weniger Geld geben.“ Sorgen bereiten den ASten auch die Semestertickets für Bus und Bahn. „Wenn wir bei den Verkehrsverbünden weniger Tickets ordern, werden die früher oder später mit den Preisen hochgehen“, sagt Hammerschmidt. Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) tut das bereits jetzt. „Die Asten haben dabei durch die vielen Exmatrikulationen eine viel schwächere Position.“