Jukebox

Der Ire säuft, singt und hat was gegen die Engländer

Wieso nicht einmal Irish Folk? Das ist nun wirklich kein Wort, das in der taz zu oft vorkommen würde. Im neuen Millennium schaffte es gerade gezählte fünf Nennungen, da gibt es noch den Platz, mal ins Grundsätzliche abzugleiten. Gerade weil sich der Treck mit seinen Leiterwagen längst Richtung Weltmusik aufgemacht hat und man fast schon vergessen wollte, dass Irland einst der Lieferant Nummer eins für die deutsche Ersatzfolklore war, mit dieser trinkfesten und stampfmächtigen Musik, mit den süffigen Melodien, lieber Herr Musiker, noch zwei Jigs bitte sehr, die ja tatsächlich von beeindruckender Unverwüstlichkeit sind.

Kann manische Musik sein. Echter Punkrock (nein, nicht die Pogues). Hab mal eine Dokumentation im Fernsehen gesehen mit Blick in so einen Tanzsaal. Nur ein Mann an der Konzertina und einer am Schlagzeug (eine große Trommel sowie ein Becken). Aber die beiden brachten die Musik mit einer unglaublichen Stiernackigkeit zum Vibrieren, dass man gern daran geglaubt hätte, dass der Ire und seine Musik in eins fallen, irgendwie, also dieses Authentizitätsgemeiere (der Ire singt, säuft und hat was gegen die Engländer), das ich doch – noch länger her – bereits staunend die Gosse runterlaufen sah, in einer Bar (mit Livemusik), in der ein Einmannunterhalter sein „Whiskey in the Jar“ an der Heimorgel verklappte, down in Killarney. Auch dafür sei Irland Dank.

Ist sowieso so, dass die irische Musik längst genauso gut von deutschen Vertragswerkstätten gemacht wird. Oder als berlin-irisches Jointventure wie bei Norland Wind, die das Rustikale derart fein ziseliert haben, dass es silbrig hell nach ewigem Weihnachten klingt. Eine Art Lebkuchenhausvariante von irischer Folklore, durchaus virtuos gezimmert, mit der neuen CD „From Shore to Shore“, live mitgeschnitten auf der letztjährigen Tour, zu haben auf der diesjährigen Tour (in Berlin heute und morgen jeweils 20 Uhr in der Passionskirche). So schließen sich Regelkreise.

Dass aber Norland Wind aus der Spannungsmusik Entspannungsmusik gemacht haben, das hat selbst der Irish Folk nicht verdient. THOMAS MAUCH