Kleine Atombomben fürs Pentagon

Gegen die Stimmen der Demokraten billigt der konservative US-Senat die Entwicklung und Herstellung von „Mini-Nukes“ – kleinen, einsatzfähigen Atombomben, die das Pentagon zur Bekämpfung unterirdischer Verstecke und Ziele nutzen will

aus Washington MICHAEL STRECK

Sie gehören zum Wunscharsenal der neuen Sicherheitsstrategie des Pentagons: Die so genannten „Mini-Nukes“, Nuklearwaffen, deren Sprengkraft ungefähr einem Drittel der Hiroshima-Bombe entspricht. US-Militärstrategen möchten diese neue Generation von Atombomben für ihre Präventivschlagspläne möglichst bald einsatzfähig haben und sind am Dienstag diesem Ziel einen Schritt näher gekommen. Der republikanisch dominierte US-Senat hat entschieden, das seit zehn Jahren geltende Verbot zur Erforschung und Entwicklung dieser Miniatombomben aufzuheben.

Demokraten übten scharfe Kritik an der Entscheidung, die sie als Startschuss für ein neues weltweites Wettrüsten betrachten. Der Außenpolitiker Joseph Biden warf der US-Regierung vor, mit der Aufhebung des Verbotes „den Atomkrieg denkbar“ zu machen. Von einem Instrument der Abschreckung im Kalten Krieg würden Atombomben nunmehr zu „einem einsatzfähigen Instrument militärischer Macht wie Panzer und Raketen“, monierte seine Kollegin Dianne Feinstein im Senat.

Nach ihrer Abstimmungsniederlage wollen die Demokraten nun versuchen, zumindest die Produktion und den Test solcher Miniatomwaffen weiter zu verhindern – ein Vorhaben, dem angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesstaatenkammer wenig Erfolgsaussichten eingeräumt werden .

Nach dem Willen der Regierung von Präsident George W. Bush entscheidet der US-Kongress dieser Tage über zwei Gesetzentwürfe zur zukünftigen Nuklearwaffenstrategie der USA im Rahmen des rund 400 Milliarden Dollar teuren Verteidigungshaushaltes. Beide Vorschläge beeinhalten die Erforschung und mögliche Entwicklung neuer taktischer Atomwaffen. Als erster notwendiger Schritt hierzu muss das Verbot aus dem Jahre 1993 aufgehoben werden. Der andere Plan will Forschungen vorantreiben, wie bereits existierende Atomwaffen zu bunkerbrechenden Bomben umgewandelt werden können. Sie sollen in der Lage sein, tief in die Erde einzudringen, bevor sie explodieren, um mögliche Verstecke von Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen. Diese neu zusammengesetzten Nuklearbomben sind jedoch alles andere als „mini“.

Pentagonchef Donald Rumsfeld verteidigt das geplante Forschungsprojekt zur Entwicklung kleiner Atomwaffen. Es handle sich lediglich um „eine Studie, nicht mehr und nicht weniger“, sagte er. Ihm gehe es „nicht um den Erwerb, nicht um die Entwicklung, nicht den Einsatz“ der neuen Atomwaffen.

Dennoch: Die gestrige Aufhebung des Forschungsverbots bedeutet einen Richtungswechsel in der US-Verteidigungspolitik. Lange Zeit hat der US-Kongress die Entwicklung neuer Nuklearwaffen-Generationen nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Doch mit der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie vom September 2002 wurde zumindest der Einsatz kleiner Atomwaffen wieder salonfähig.

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