Kanzler im Mühlenberger Loch

Airbus weiht seine erste Produktionshalle für Riesenflieger A380 in ehemaligem Süßwasserwatt ein. Senat versucht die Rechtsgrundlagen nachzubessern

HAMBURG taz ■ Je schlechter die Stimmung, desto wichtiger ist eins: lächeln. Die gestrige Einweihung der ersten Sektionsmontagehalle für den Riesen-Airbus A380 in Hamburg war für Bundeskanzler Gerhard Schröder deshalb eine willkommene Gelegenheit, sich im Lichte eines industriepolitischen Erfolgs zu sonnen. Schröder hat seinen Anteil daran, hat er doch per Intervention in Brüssel dafür gesorgt, dass die Halle in einem mehrfach geschützten Feuchtgebiet von internationalem Rang gebaut werden konnte. Doch so fest der Boden der künstlichen Halbinsel in der Elbbucht Mühlenberger Loch inzwischen ist, so wackelig ist die rechtliche Grundlage dafür.

Der Hamburger Senat und die Bürgerschaft haben keine Mühe gescheut, den prestigeträchtigen Bau des Riesenfliegers an die Elbe zu holen: Rund 675 Millionen Euro lässt es sich die Stadt kosten, dem Wunsch von Airbus nach einer Werkserweiterung im Süßwasserwatt des Mühlenberger Lochs zu erfüllen.

In einem neuartigen Verfahren wurden mehrere Millionen Tonnen Sand über dem wabbeligen Schlick verrieselt und das Wasser aus dem Schlick gedrückt, bis Land entstand. Naturschützer wie den BUND, den Nabu sowie dessen internationalen Partner Ifaw treibt das auf die Palme, weil das Süßwasserwatt ein einzigartiger Lebensraum in Europa ist. Es ist eine wichtige Drehscheibe für den Vogelzug, eine Kinderstube für die Elbfische und Sauerstoffproduzent für einen Strom, in dem jeden Sommer die Fische nach Luft schnappen.

Um Hamburg durch die Produktion des A380 neben Seattle und Toulouse als dritten großen Luftfahrtindustriestandort der Welt zu etablieren, haben Senat und Bürgerschaft auch ihre rechtlichen Möglichkeiten bis zur Neige ausgeschöpft. Weil das immer noch nicht reichte, ist der für den A380 nötige Ausbau des Werksflugplatzes von der Bürgerschaft im Juni 2002 per Gesetz für gemeinnützig erklärt worden.

Das Verwaltungsgericht, vor dem eine Reihe von Anwohnern gegen den zunehmenden Werksflugverkehr geklagt hatten, überzeugte das nicht. Es erklärte den Ausbau im Oktober 2002 für rechtswidrig, verfügte aber keinen Baustopp, da „die Interessen an der Fortführung der Bauarbeiten höher zu bewerten seien als die Interessen der Antragsteller“.

Jetzt befasst sich das Oberverwaltungsgericht mit dem Fall. Dessen Rechtsfindung will der Senat mit einer zweiten „Lex Airbus“ erleichtern. Passend zum Kanzlerbesuch beschloss er am Dienstag eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes: Diese soll klarstellen, das Bundesländer auch zugunsten von Privatflugplätzen enteignen dürfen. Denn entgegen allen Versicherungen des Senats kam scheibchenweise ans Licht, dass Airbus für den Riesenflieger eine viel längere Piste benötigt, als im Planfeststellungsbeschluss für die Werkserweiterung beantragt. Jetzt muss das benachbarte Dorf Neuenfelde dran glauben.

GERNOT KNÖDLER