Bis die Reifen glühen

Rollstuhlbasketball klingt kompliziert, ist es aber nicht, wie Fans loben. Und es ist eine klassische Integrationssportart. Doch nach der Preiserhöhung für Nicht-Studierende spielen nur noch wenige Behinderte mit

von Patrick Tiede

Es gibt Menschen, die sitzen gern in einem Rollstuhl. Sie fahren, schlittern und rutschen in ihm übers Hallenparkett und versuchen dabei, einen Ball in einen Korb zu befördern. Peter Röder ist so einer. Jeden Donnerstag kommt er in die Uni-Halle am Turmweg, um Rollstuhlbasketball zu spielen. Nach 90 Minuten Training erhebt sich der 31-Jährige aus seinem Gefährt, geht duschen, packt den Rolli in sein Auto und fährt heim. Röder hat kein Handicap, im Alltag ist er auf keinen Rollstuhl angewiesen. Für den Studenten ist das Hilfsgestell auf zwei Rädern ein Sportgerät „wie für andere der Tennisschläger. Und so wie andere Basketball spielen, spielen wir eben Rollstuhlbasketball“.

Acht Spieler nehmen an dem Kursus des Hochschulsports teil, sechs davon ohne körperliche Behinderung. Seit der AStA im vergangenen Semester die Zuschüsse für den Hochschulsport gekürzt hat, müssen alle, die nicht an der Uni eingeschrieben sind, jetzt 38 Euro Gebühr berappen. Seither kommen kaum noch Menschen mit Handicap, wie Trainer Janning Cunis beobachtet. „Die Entwicklung ist dramatisch und nicht im Sinn der Sache“, beklagt er. Rollstuhlbasketball ist eigentlich eine klassische Integrationssportart. In den nationalen Ligen dürfen maximal zwei Spieler ohne Behinderung in einem Fünfer-Team mitwirken. Außerdem gibt es keine Herren- oder Damenteams, statt dessen wird gemischt. Ausgeklügelte Klassifizierungen gewährleisten die Chancengleichheit.

Das Training in der Hochschulsportgruppe ist für alle im Team gleichermaßen anspruchsvoll. Kein ungeschicktes Herumrollen mit zufälligen Korberfolgen. Hier wird ernsthaft an Kondition, Technik und Taktik gefeilt. Zum Aufwärmen fahren die Spieler Slalom-Runden und verfolgen sich gegenseitig. Anschließend gibt es Sprints, Stop and go sowie Rückwärtsfahrten. Dabei lassen Behinderte ihre unversehrten Mitstreiter alt aussehen. Dann kommt der Ball ins Spiel. Genauer: Ein Medizinball. Viel zu schwer, um Korbwürfe zu üben, doch gerade richtig für druckvolle Pässe.

Rollstuhlbasketballer brauchen Muskeln: Oberarme, Schultern und Rücken werden stark beansprucht. Das regelmäßige Training sieht man den Spielern an. Nach dem Medizinball gibt es mit dem authentischen Streitobjekt, dem Basketball, schließlich noch das volle Programm: Dribbeln, Block und Schirm stellen, Überzahl schaffen, Korbleger, Freiwürfe ... Zum Schluss wird gespielt. Die Regeln ähneln dem üblichen Basketball. Auf dem Parkett geht es genauso rasant zur Sache. Körbe fallen reichlich. Anfänger halten nach den ersten drei Übungseinheiten schon gut mit.

Rollstuhlbasketball sei nicht so schwierig und anstrengend, wie der Laie vermutet, meint Philosphiestudent Jan Heuer. „Schließlich muss man über 90 Minuten keinen Schritt laufen“, sagt der 24-Jährige, der seit einem Jahr im Team ist. Heuer erwägt inzwischen, in einen Verein zu wechseln.

Dorthin, wo Mitspieler Röder schon ist: RSC Hamburg, 1. Bundesliga, viermal in der Woche Training, jedes zweite Wochenende ein Ligaspiel mit bis zu 1.200 Zuschauern. „Doch die Basis ist hier“, sagt Röder und führt als Beispiel die regelmäßigen Uni-Turniere mit Mannschaften aus Berlin, Köln und Aachen an. Spielen, bis die Reifen glühen. Auch nachts. Schlafen gleich in der Halle und feiern natürlich auch. Dass auch Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen dabei sind, „nimmt man kaum noch wahr, weil es so normal geworden ist“, sagt Trainer Cunis. Integration sieht er als „Nebeneffekt“.

Training jeden Donnerstag von 16.30 Uhr bis 18 Uhr in der Großen Uni-Halle, Turmweg 2, Rollstühle stellt die Uni, Anmeldung im Internet siehe Kasten