Da waren‘s nur noch zwei

„Wer sich begraben lässt, kann nicht mehr graben“, warnen die Studierenden. Dem Archäologischen Institut der Hamburger Universität, einst als wegweisend gerühmt, droht dennoch die Auflösung

von Heinz-Günter Hollein

Auf den Toiletten herrscht bereits Grabeskälte. „Das Haus ist praktisch tot“, stellt denn auch Professor Helmut Ziegert lapidar fest. Den Exitus des Archäologischen Instituts in der Johnsallee 35 wird auch die Senkung der Heizkosten wohl nicht mehr abwenden.

Ziegert, heute Emeritus für Urgeschichte, hat das Institut 1981 als Verbund der „grabenden Disziplinen“ mitbegründet. Dieser Zusammenschluss von Orientalistik, Ägyptologie, Mesoamerikanistik, Vor- und Frühgeschichte und Klassischer Archäologie war damals wegweisend. Seitdem wurde die Anzahl der Professoren von elf auf fünf heruntergespart, die Orientalistik bereits vor zwei Jahren geschlossen. Gemäß den aktuellen Sparvorgaben werden künftig nur noch Vor- und Frühgeschichte und Klassische Archäologie bis auf weiteres und inhaltlich eingeschränkt erhalten bleiben.

Beschlossen hat das eine Koalition der Sparwilligen aus den anderen Fächern des Fachbereichs 09 (Kulturgeschichte u. Kulturkunde). Eine Mittelkürzung um 250.000 Euro war dieses Jahr die Vorgabe der Wissenschaftsbehörde an das Uni-Präsidium, das selbige wiederum an den Fachbereich weitergab, verbunden mit der nachdrücklichen Empfehlung, die drei Professorenstellen – Klass. Archäologie, Ägyptologie, Mesoamerikanistik –, deren Inhaber in den nächsten drei Jahren in den Ruhestand gehen, ersatzlos zu streichen. Andernfalls würde dies das Hochschulamt übernehmen.

Die Betroffenen fühlen sich isoliert: „Niemand spricht mit uns, und den Präsidenten erreicht man nicht“, heißt es im Institut. Eines immerhin sei den Wissenschaftlern nahegelegt worden: „Wir möchten doch bitte schweigend abtreten, um alles nicht noch schlimmer zu machen“, fasst der Ägyptologe Professor Dieter Kurth die kommunikative Finesse der Uni-Verwaltung zusammen.

Geschwiegen haben die designierten Gestrichenen nicht. Ihr „Brief der Lehrenden“ über den „kultur-wissenschaftlichen Kahlschlag“ in der „Stadt der Wissenschaft“ wurde mit zahlreichen Appellen nationaler und internationaler Kollegen und Institutionen beantwortet, die aber, so Thomas Muno, Mesoamerikanist im 6. Semester und Studentischer Vertreter im Fachbereichsrat, bei Präsident und Wissenschaftssenator „wohl in der Ablage unter dem Schreibtisch“ landeten.

Das Interesse der Zuständigen für die Kulturwissenschaften in Hamburg sei „gleich Null“, resümiert auch Professor Kurth. Er leitet ein langfristiges Forschungsprojekt, das mit einem Millionenetat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vier Mitarbeitern („die hier in Hamburg Steuern zahlen!“) möglicherweise bald in die ausgebreiteten Arme der Göttinger Akademie der Wissenschaften abwandern wird. So wie etliche andere international renommierte Projekte, die ohne das Institut mit seinen Bibliotheken in Hamburg keine Arbeitsbasis mehr hätten.

Die bräche auch für Thomas Muno weg, wenn 2006 der Mietvertrag für das Haus in der Johnsallee ausläuft. Von einer wie auch immer gearteten Planung für eine Abwicklung hat im Institut bisher „niemand etwas gehört“. „Kostenneutral wird das auf keinen Fall“, sagen die studentischen Vertreter und verweisen auf die Verpflichtung der Universität, die zur Zeit in Hamburg immatrikulierten Studierenden „auszustudieren“. Dazu müssten für eine Übergangszeit von mehreren Jahren in den beiden auslaufenden Fächern Lehraufträge eingeworben und finanziert werden.

Muno und seine Kommilitonen fühlen sich von einer Hochschulpolitik, die „einen laufenden Vertrag zugunsten der wirtschaftsorientierten Fächer ändert“, als Feinde behandelt. Andererseits müsse man dem Wissenschaftssenator dankbar sein, dass er ihnen schon am Anfang ihrer Laufbahn in Sachen akademischer Betriebsteilstilllegung zu einem „schnellen Reifungsprozess“ verhilft.

„Wer sich begraben lässt, kann nicht mehr graben“, lautet ihr widerständiges Fazit auf einem Transparent im Institut. Trotzdem: im Internetportal der Hamburger Mesoamerikanistik begrüßt den Besucher bereits der Satz: „Das Tor zur Wissenschaft schließt sich.“