Bremen gegen Berlin und Hamburg

In der Diskussion um den Finanzausgleich hat Bremen sich über einen Gutachterstreit auf die Seite der süddeutschen Länder gestellt und andere Stadtstaaten genauso wie die Nachbarländer vor den Kopf gestoßen

Für Bremen geht die Rechnung des Gutachters auf. Für Hamburg und Berlin nicht.

Berlin/Bremern taz ■ Von Solidarität der Stadtstaaten kann spätestens jetzt keine Rede mehr sein: der Zwei-Städtestaat Bremen liegt mit den beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Berlin stärker über Kreuz als je zuvor, wenn es um die Frage der Finanzausstattung geht. Das wurde am Donnerstagabend in der Bremer Vertretung in Berlin deutlich, wo der Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) zwei Gutachten zur Lage der Dinge vorstellte. (vgl. taz 24.3.)

Das Gutachten von Wolfgang Kitterer von der Uni Köln warf die Frage auf, was es bedeuten würde, wenn die Ausstattung der Stadtstaaten von den umliegenden Ländern bezahlt werden müsste: Sie profitieren ja schließlich vom „Metropolen“-Effekt und nutzen die Infrastruktur der Großstadt. Fazit seiner Berechnungen: Für Bremen wäre das sehr gut, für Hamburg und vor allem Berlin schlecht.

Der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der sich auch in der Vergangenheit mit der Bremen Sanierungsstrategie heftig anglegt hat, war nicht zu dem Termin gekommen. „Er hätte dazu sicher ein paar passende Worte gefunden“, sagte sein Sprecher am Rande der Veranstaltung. Aber der Bundestagsabgeordnete Ortwin Runde (SPD), früher Hamburger Bürgermeister, war zum Termin gekommen und erklärte in aller Offenheit, er interpretiere das Kitterer-Gutachten als ein Kampfinstrument der süddeutschen Länder.

Wie das? Kitterer hatte für das Land Baden-Württemberg eine Stellungnahme gegen die Verfassungsklage von Berlin formuliert. Dass Bremen nun ausgerechnet auf diesen Finanzwissenschaftler zurückgreift, konnte in Berlin nicht als freundschaftliche Geste verstanden werden.

Kitterer ist auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums, das das von ihm nun dargestellte Modell „fiktiver Länderfusionen“ in die Debatte gebracht hat. Die Idee: An die Stelle der besonderen „Einwohnerwertung“, nach der alle Bundesländer für die Besonderheit der Stadtstaaten zahlen müssen, sollen Zahlungen nach dem Muster des kommunalen Finanzausgleichs treten. Konkret würde das bedeuten, dass Niedersachsen für Bremen zahlen müsste, Brandenburg für Berlin, Schleswig-Holstein für Hamburg. Da Niedersachsen viele Einwohner hat im Verhältnis zu Bremen, geht die Rechnung für Bremen auf, aber Hamburg und Berlin könnten aus Brandenburg und Schleswig-Holstein kaum etwas erwarten. Durchsetzbar wäre dieses Modell also nur mit den Stimmen der Länder, die davon profitieren. Und in der Tat haben vor allem die süddeutschen Länder großen Nutzen von dem Konzept. Kitterer verwahrte sich indes gegen politische Zuordnungen und lobte gleichzeitig den bremischen Sanierungsweg. Er habe sich „als absolut erfolgreich“ erwiesen, sagte er.

Während Kitterer im Bremer Auftrag die Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich untersucht hatte, war in einer zweiten Studie von der Prognos AG Bremen mit weiteren Großstädten verglichen worden. Fazit: Mit der derzeitigen Regelung können die Stadtstaaten – Bremen, Hamburg und Berlin – nicht in die Finanzsituation der Großstädte in Flächenländern kommen. Bremen braucht nach der Sanierungsphase nicht jährlich 500, sondern 750 Millionen, erläutert die Prognos im Auftrag des Finanzsenators, kurzfristige Hilfen nützen wenig. kawe