Medienauftrieb am Markt

Die Bürgerschaft wird am Wahlsonntag die elektronische Trutzburg von Fernsehen und Rundfunk sein. Besonders ARD und ZDF polieren ihre durchgestylten Studios seit Tagen auf Hochglanz

„Am Sonntagabend um sechs wird der erste Whiskey getrunken“

taz ■ Christian Weber ist heftig irritiert. „Das ist doch, das ist doch ...“, stammelt der Bremische Bürgerschaftspräsident, doch vor lauter Entgeisterung vollendet er den Satz nicht. Allein mit dem „Scheibenwischer“ vor seinem Gesicht symbolisiert Weber, was er von dem Medienauftrieb hält, der seit Anfang der Woche sein sich sonst gerne in wohligem Dämmerschlaf räkelndes Landesparlament in ein mit technischem Schickschnack vollgestopftes, aufgeregtes Mega-Medienzentrum verwandelt. „Jetzt weiß ich, warum wir für die Öffentlich-Rechtlichen so viel Gebühren zahlen müssen“, so Weber indigniert.

In der Tat ist die Luft im Parlament bereits Tage vor der Wahl zum Schneiden. Bildschirme flackern, Computer sirren, Lampen leuchten, Handys rattern: der Elektrosmog feiert ein Freudenfest. ARD und ZDF haben ihre schnieken Wahl-Sonderstudios längst zusammengezimmert. Beide stehen Seit an Seit im Foyer: Dort, wo sonst Abgeordnete ihr Süppchen auslöffeln, werden am Sonntagabend Medienmenschen mit wichtigen Gesichtern Zahlen verkünden und „erste Reaktionen“ der Bremer Politiker einholen.

795 JournalistInnen haben sich für den Wahlsonntag akkreditiert, 53 Medienanstalten werden aus der Bürgerschaft berichten, und es wird 25 provisorische Sendestudios geben. Die Agentur dpa etwa darf von den Senatsbänken im Plenum aus arbeiten, der Offene Kanal muss mit einem versteckten Winkel auf dem Flur Vorlieb nehmen. Insgesamt sind 2.000 Einlasskarten verteilt worden, zumeist an die üblichen Verdächtigen, also Medien, Fraktionen, Parteien und senatorische Behörden. 200 Karten immerhin gingen an Menschen „aus der Bevölkerung“. Die hätten sich bereits vor Monaten angemeldet, so Bürgerschafts-Sprecherin Anja Eckhardt. Nicht alle konnte sie ganz zufrieden stellen. So habe sich der Wahlforscher Max Kaase von der IUB kurzfristig mit einem Hofstaat von 50 Kommilitonen akkreditieren wollen. Das musste er sich abschminken, aber immerhin darf Kaase selbst gegenüber der Süddeutschen Zeitung Platz nehmen.

Schon seit Montag ist die Technik-Crew des ZDF im Hause, 200 Mitarbeiter reisten eigens aus Mainz an. Man kennt sich von unzähligen Landtagswahlen, jeder Handgriff sitzt. „Am Sonntagabend um sechs wird der erste Whiskey getrunken“, sagt Produktionsleiter Norbert Tannenberg. Dann sei die Sache gelaufen. Bei den Kollegen von der ARD ist die Stimmung weniger entspannt. Sabine Sablotny von Radio Bremen ist Aufnahmeleiterin für die ARD, und es prasselt ziemlich viel auf sie ein. Was bei einem überkomplexen Gebilde wie der ARD auch kein Wunder ist. Das Wahlstudio wurde vom SWR aus Baden-Baden angekarrt, der Übertragungswagen auf dem Markt gehört Radio Berlin-Brandenburg, und auch NDR und WDR mischen irgendwie mit. Sablotny sieht dem Sonntag aber auch noch aus einem anderen Grund angespannt entgegen: „Wir müssen ja um 18.40 Uhr die ‚Lindenstraße‘ direkt übernehmen, das ist ganz schön kompliziert.“ Markus Jox