Was ist schief gelaufen im Kosovo?
: Frieden herrschte nie wirklich

betr.: „Tote bei Gefechten im Kosovo“, „Der Traum ist aus. Im Kosovo kämpfen wieder Serben und Albaner. Die Zeit des Friedens scheint vorbei“, taz vom 18. 3. und 19. 3. 03

Man fragt sich, welchen Traum und welchen Frieden Herr Rathfelder in diesem Fall meint. Der Traum von einer multiethnischen Gesellschaft auf dem Kosovo ist schon längst geplatzt, und der Frieden herrschte nie wirklich. Denn wenn man das eigene Haus nur unter dem Schutz der UN- und KFOR-Soldaten verlassen kann, kann vom Frieden nicht mal die Rede sein.

Herr Rathfelder berichtet hier aus Kosovska Mitrovica, einer geteilten Stadt, deren Bewohner sowohl Albaner als auch Serben sind. Doch irgendwie sind die Gesprächspartner in seinem Bericht nur die Vertreter der albanischen Seite: ein jugendlicher Kosovoalbaner, der Reporter der TV-Station Koha Ditore, Manduh Abasi, und der Universitätsprofessor Unver Hoxhaj.

Das ist auch der Grund, warum man aus diesem Bericht von Herrn Rathfelder nur erfährt, dass der Anlass für die Demonstrationen der Albaner der Tod von drei albanischen Kindern sei und nicht erfährt, dass an demselben Montag im Dorf Caglavica auf den serbischen Jungen Jovica Ivić, geschossen wurde.

Genauso berichtet Herr Rathfelder von Übergriffen „albanischer Demonstranten“ auf die serbischen Einrichtungen und Enklaven und gibt nicht mal einen Hinweis darauf, dass unter diesen „Demonstranten“ sehr gut organisierte Gruppen wohl bewaffneter albanischer Extremisten sind, die diese Aktion offensichtlich längst geplant haben und systematisch in den letzten 48 Stunden auf dem Kosovo die serbischen Dörfer angriffen. Nicht mal KFOR war im Stande, dies zu verhindern, außer die serbischen Bewohner zu evakuieren, nachdem die leeren Häuser von diesen „albanischen Demonstranten“ in Brand gesetzt wurden. Das ist eine Form der ethnischen Säuberung in der Anwesenheit von UN und KFOR!

SVETLANA ACEVIC, Stuttgart

Zu den Ausschreitungen in Kosova möchte ich Folgendes anmerken: In den vergangenen fünf Jahren wurde von der Seite der UN nur ansatzweise versucht, die Situation zu verbessern.

Warum bekam die serbische Partei im Parlament 20 Prozent der Sitze, obwohl sie nur mit 5 Prozent abgeschnitten hat?

Warum wird eine Steuer von 26 Prozent für alle Importgüter verlangt?

Warum ist das Abbrennen von Moscheen ein Zeichen der Serben gegen Kosova, obwohl doch auch große Teile der albanischen Bevölkerung dort römisch-katholisch sind?

Warum ist die Stadt Mitrovica noch immer geteilt?

Warum wird verhindert, dass die Wirtschaft in Kosova in Gang kommt?

Ich schließe mich ganz dem Kommentar von Erich Rathfelder an, dass es ohne eine Unabhängigkeit keinen Frieden in Kosova geben wird. Die albanische Völkergemeinschaft dort ist so viel Leid und Sterben über Generationen gewohnt; sie werden weiterkämpfen für ihr eigenes, unabhängiges Land. KRISTIN LLAUSHA, Heek

Ich bin ein Polizeibeamter aus Niedersachsen und momentan Angehöriger der UN-Mission im Kosovo, in Mitrovica. Leider musste ich auch miterleben, was genau hier passiert ist.

Es ist schlichtweg falsch, wenn behauptet wird: „Doch auf der Brücke empfingen die unbewaffneten Demonstranten schon die ersten Schüsse.“ Achthundert albanische Demonstranten hatten bereits die Brücke überquert. Die Demonstranten waren sehr aggressiv und wurden durch KFOR und Polizeikräfte von den serbischen Demonstranten getrennt. Erst als die albanischen Demonstranten zurückgedrängt wurden, kam es zu einer Explosion (Handgranate). Als Folge wurde von albanischer Seite durch diverse AK-47 das Feuer eröffnet. Wie können unbewaffnete Demonstranten denn plötzlich ein AK-47-Sturmgewehr herzaubern?

Ganz nebenbei haben die unbewaffneten Demonstranten auf dem Weg zur Brücke bereits die South Station angegriffen, diverse Polizeifahrzeuge beschädigt und auch angezündet. Friedliche Demonstranten? Glauben Sie mir, ich übe den Polizeiberuf bereits seit vielen Jahren aus – friedliche Demonstranten tun so etwas nicht.

ALEXANDER SAADE, Civpol in Mitrovica

Fünf Jahre nach dem Kosovokonflikt beschwichtigt uns der Westen, UNO und Nato, dass im Kosovo die Demokratie eingeführt wurde. Es gab demokratische Parlamentswahlen, ehemalige UÇK-Kämpfer sind durch diese demokratischen Wahlen, auf demokratischem Wege, zu demokratischen Politikern geworden und tragen bei zum demokratischen Prozess in der Provinz. Die Serben und andere Minderheiten, wie Roma und Türken, wurden natürlich auch in diesem demokratischen Prozess integriert und tragen zu einem friedlichen Miteinander bei. Alles bestens, alles wurde gut!

Doch wie sieht die Realität aus und warum nach fünf Jahren Demokratie nun diese undemokratischen Zwischenfälle? Fakt ist, dass das Kosovo heute, trotz Anwesenheit von UNO und Nato, genau so sicher ist wie vor dem Krieg 1999. Täter sind zu Opfern geworden, Opfer zu Tätern, die Rollen wurden vertauscht, aber die Gewaltbereitschaft bei den ethnischen Gruppen ist geblieben. Terror, Mord, ethnische Säuberungen, Drogen-, Waffenschmuggel, Menschenhandel, Prostitution und Verbindungen zu internationalen Terrornetzwerken sind ignorierte Begleiterscheinungen einer Demokratie, die scheinbar nur in den Köpfen und Illusionen der westlichen Regierungen herumschwirrt.

Da fragt man sich, was ist schief gelaufen? Warum ist das Kosovoproblem in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten, und warum haben UNO und Nato das Treiben von Nationalisten und Verbrechern im Kosovo hingenommen, ja sogar toleriert. Serbische Dörfer und Kirchen brennen im Kosovo, Moscheen brennen in Serbien. Ob nun das Kosovo unabhängig werden sollte, ob die von den Serben angestrebte Aufteilung folgen sollte, wie man es macht, wird man es falsch machen. Fünf Jahre Pseudodemokratie sind fünf verlorene Jahre. BOKI SAVESKA, Bergisch Gladbach

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