Dem Klima auf den Grund gehen

Was hat die Wassertemperatur im Ozean mit der Sahelzone zu tun? Und das Kontinentalschelf mit dem Klima? Stefan Mulitza, Klimaforscher am Bremer DFG-Forschungszentrum Ozeanränder, erklärt das Faible seiner Zunft für den Unterwasser-Schlick

taz: Das Wachstum der Wüsten in Afrika hängt vor allem von der Wassertemperatur im Atlantik ab, hat das DFG-Forschungszentrum Ozeanränder herausgefunden. Und im Ost-Mittelmeer bestimmte vor 9.000 Jahren ein Mini-Monsun das Klima. Mit welchen Entdeckungen können wir als nächstes rechnen? Stefan Mulitza, Geologe und Klimaforscher: Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich ist unser Ziel, die Entwicklung des Klimas besser vorherzusagen. Die Prognosen sind noch mit einer großen Unsicherheit behaftet. Man weiß zwar, dass die Temperatur auf der Erde ansteigt. Um wie viel aber – da klaffen die Schätzungen weit auseinander. Das reicht von einem bis sechs Grad Celsius mehr in diesem Jahrhundert.

Sie untersuchen ja aber nicht das aktuelle Klima, sondern das von vor 40.000 Jahren. Wozu?

Die Vergangenheit bietet uns viele natürliche Klimaexperimente. Wenn wir das Klima und die Ozeanströmungen für diese Zeiträume rekonstruieren, können wir daran unsere Klimamodelle testen. Und wenn die die Klimaveränderungen in der Vergangenheit richtig wiedergeben, können wir auch ihren Prognosen mehr vertrauen.

Welche Aussagen könnte man mit solchen Klimamodellen heute treffen?

Zum Beispiel, was passiert, wenn wir so weiter machen mit unserem CO2-Ausstoß.

Beunruhigt es Sie, was derzeit mit dem Klima geschieht?

Beunruhigend ist das mit Sicherheit. Aber diese Unruhe nützt uns wenig. Wir müssen versuchen zu verstehen, was da passiert. Dann sind wir sicher besser in der Lage, darauf zu reagieren.

Was macht Ozeanränder so attraktiv für Klimaforscher?

Dort lagern sich besonders mächtige Sedimentschichten ab. Für uns sind das hervorragende Klima-Archive. Und je mächtiger sie sind, umso genauer können wir dort in die Vergangenheit schauen. Außerdem finden sich an den Ozeanrändern sehr viele klimatisch interessante Gebiete.

Andere Forscher behaupten, dass die Wassertemperatur in den oberen Schichten des Atlantik für Wachsen und Schrumpfen der Sahelzone verantwortlich sei. Wie findet man das heraus?

Anhand der Überreste von Mikroorganismen im Sediment. Die speichern in ihrer Schale Informationen über den Nährstoffgehalt und die Temperatur des Wassers, in dem sie damals gelebt haben. Für uns sind das kleine Sonden aus der Vergangenheit, die wir auch datieren können. Die Vegetation an Land kann man an Pflanzenwachsen erkennen, die ebenfalls im Sediment eingelagert sind.

Kaltes Wasser im Atlantik lässt die Wüsten wachsen. Können wir uns angesichts steigender Temperaturen dann nicht freuen, dass sie bald wieder schrumpfen?

So einfach ist der Zusammenhang leider nicht. Das Klimasystem reagiert nicht linear. Man weiß nicht genau, was bei einem weiter ansteigenden CO2-Gehalt passiert. Es gibt Prognosen, dass sich der Wärmetransport durch den Golfstrom im Nordatlantik dann verringern wird. Regional könnte es so zu Abkühlungen kommen, während sich global die Temperatur weiter erhöht. Veränderte Luftdruckverhältnisse könnten so auch zu trockeneren Bedingungen in der Sahelzone führen. Interview: sim