Taktische Panik bei der CDU

Wenige Tage vor der Wahl sickert eine neue Umfrage durch, die Perschau & Co deutlich absacken lässt. Die Demoskopen dementieren, dass es so eine Umfrage gibt. Dennoch koketieren jetzt angeblich einige CDUler mit dem Ende der Koalition

taz ■ Zuerst drohte Henning Scherf mit Rücktritt, falls es nicht für Schwarz-Rot reichen würde. Jetzt versucht offensichtlich die CDU, Wähler mit Umfrageergebnissen zu mobilisieren. Nachdem „streng vertrauliche Umfragen von Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen“ bekannt geworden sind, „gerät die CDU in Panik“, meldete gestern Focus online. Es habe einen „dramatischen Umschwung in Bremen“ gegeben. Die CDU sei auf 33 Prozent „abgesackt“, während die SPD am Sonntag auf 40 Prozent der Stimmen hoffen könne. Die Grünen erreichten 12, die FDP 5 Prozent. In den letzten veröffentlichen Umfragen hatte die SPD noch bei 38, die CDU bei 36 Prozent gelegen.

Der Knackpunkt: Bei den Quellen, den Demoskopie-Instituten, weiß niemand von einer neuen Umfrage. Infratest dimap wie das ZDF, für die die Forschungsgruppe Wahlen arbeitet, haben gestern Gegendarstellungen an Focus online geschickt. Das bestätigte auch Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen. Bei Redaktionsschluss war der Artikel allerdings noch im Netz. Roth betonte: „Die Daten stammen nicht von uns.“ Es gebe zwar seit Dienstag Umfragen im Vorfeld der Sonntagsprognose für Bremen, „die werden jedoch erst am Freitag abgeschlossen“. Außerdem hätten sich ARD und ZDF dazu verpflichtet, „eine Woche vor Wahlen keine Umfragen zu veröffentlichen“, sagte Roth. Und: „Die Zahlen sind wohl bei der CDU geboren.“ Der 25. Mai werde in Bremen aber wohl nicht zur Protestwahl gegen die Bundes-SPD werden. Roth: „Es gibt zwar Säuernis bei den SPD-Wählern, aber die Leute wollen nichts anderes, als diesen Bürgermeister behalten.“

CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff sind die ominösen Umfragen auf jeden Fall seit Mittwoch „bekannt“. Panik sei „ein übertriebenes Wort. Aber die Zahlen haben mich schon aufgeschreckt.“ Es sei problematisch, wenn die Bremer CDU trotz der „explizit guten bundespolitischen Lage“ Verluste einfahren würde. Eckhoff: „Unser Ziel war immer 35 plus.“ Inzwischen soll es in der CDU sogar Kreise geben, die die Koalition mit der SPD als „Wahlverlierer“ nicht fortführen wollen. Je weniger Stimmen die Partei erhalte, „desto weniger Inhalte könnten durchgesetzt werden“, heißt es.

Beobachter werteten den lancierten Meinungsumschwung auf jeden Fall als Wahlkampfmanöver der CDU. „Es ist sicher kein Zufall, dass diese Umfragen bei Focus online gelandet sind“, meint SPD-Fraktionssprecher Werner Alfke. Von Gerüchten lasse sich die Partei nicht beirren. Alfke: „Wir gewinnen die Wahl – mit oder ohne Focus.“ Rathaussprecher Klaus Schloesser sagt, bei „dieser windigen Nachrichtenlage“ wolle er die Umfrage nicht kommentieren.

Laut Eckhoff hat die CDU „unter dem Eindruck“ der neuen Zahlen entschieden, ihre Kampagne zu modifizieren. In der Nacht zu heute werden sämtliche CDU-Wahlplakate überklebt. Slogan: „Kein Berliner Chaos in Bremen. Rot-Grün stoppen. CDU wählen.“ Außerdem hat Parteichef Bernd Neumann in einem Brief an alle Kandidaten und Funktionsträger der Partei noch einmal „darauf hingewiesen, dass sie sich nicht in Sicherheit wiegen sollen“. Beim Wahlkampf-Abschluss gestern Abend in der Messehalle mit der Vorsitzenden Angela Merkel versprühte die CDU wieder Zuversicht. Das Ende der großen Koalition sieht Neumann erst bei einem echtem CDU-Debakel: „Nur wenn wir 20 Prozent bekommen, würden wir vielleicht sagen: ‚Macht euren Mist alleine!’“

Kai Schöneberg