Blöde Polypen

Den Vergleich mit Bob Dylan ständig im Gepäck: Der Sänger und Songwriter Dan Bern spielt im Quasimodo

Manch einer hat ein Päckchen zu tragen. Etwa eine riesige Warze mitten im Gesicht oder Mundgeruch. Ganz übel aber ist es, sein Leben lang mit der Welt bekanntester Schnarrstimme verglichen zu werden. Dan Bern war der Vergleiche irgendwann so müde, dass er konterte: „Vielleicht war Bob Dylan ja der Dan Bern der Sechzigerjahre.“

Tatsächlich aber klingt der Singer/Songwriter aus Los Angeles auch auf seinem aktuellen Album „Fleeting Days“ mitunter wirklich wie der frühe Dylan, manchmal allerdings auch wie Elvis Costello oder Tom Petty – kurz und gut: Man sollte Bern schnellstens die Polypen rausnehmen. Mit Dylan verbinden ihn zudem die jüdische Herkunft, eine markante Nase und ein nicht zu verleugnendes Talent als Songschreiber.

Dazu versteht es Bern geschickt wie kaum ein anderer Neo-Folk-Sänger heutzutage, private Biografie mit politischen Realitäten zu verweben. In „Jail“ beschreibt er, wie er wegen Haschischbesitz eine Nacht im Knast verbringen durfte, und endet mit einer endlosen Reihe an Künstlern, deren Werke dann genauso verboten gehören wie die Drogen, unter deren Einfluss sie entstanden. In „Lithuania“ erzählt er die Geschichte seines Vaters, eines in Litauen geborenen Konzertpianisten, der 1939 vor den Nazis nach Palästina fliehen konnte, aber seine ganze Familie verlor, vor allem aber, wie seltsam es anmutet, mit so einer Familiengeschichte im Hinterkopf in einem Mercedes durchs sonnige Kalifornien zu fahren.

Bern gehört zu den linken Stimmen, denen allein die Umstände in diesen Zeiten neues Gewicht bescheren. Eine bescheidene Kontroverse löste er mit der „Swastika EP“ aus. In „Talkin’ Al Kaida Blues“ erinnert er diejenigen, die 9/11 zur größten Katastrophe auf amerikanischem Boden machen wollten, an Sklaverei und den Genozid an den Indianern. Im Titelsong schließlich regt er an, das Hakenkreuz zu entdämonisieren und so seiner bedrohlichen Verwendung durch Nazis zu entreißen, indem man ihm neue, vollkommen harmlose Bedeutungen gibt: „I got me a pink one: gay pride“. Berns schwarzer Humor macht nicht Halt vor solchen Tabus, nicht vor seiner eigenen Geschichte und erst recht nicht vor der eigenen Backing Band: Die hat Bern The International Jewish Banking Conspiracy getauft. So muss auch im hinteren Teil der Bühne jeder sein Päckchen tragen. THOMAS WINKLER

Dan Bern: Sa. (!) um 22.30 Uhr im Quasimodo, Kantstr. 17, Charlottenburg