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: Die Ostgut-Schließung und die Folgen zum Hundertsten, das 24/7 zum Allerersten

Am Rande der Restrealität

Erinnern wir uns aus gegebenem Anlass noch einmal des eigentlichen Auftrags dieser Kolumne und beschäftigen uns mit der gegenwärtigen Situation des Nachtlebens in Berlin. Wie man weiß, ließ sich darüber schon erquicklicher berichten, denn die Clubs sind neuerdings nur noch selten gut gefüllt, schließen zu früh und bieten alles in allem nicht die gewünschten Rahmenbedingungen für den versprochenen Exzess.

Das liegt natürlich zum einen an den Clubs, zum anderen liegt es aber auch an den Clubgängern, bei denen es sich allerdings nur noch bedingt um Clubgänger handelt, weil sie offensichtlich nicht mehr so häufig in Clubs gehen. Und weil diese Quasi-Clubgänger, die hier der Einfachheit halber Quasi-Clubgänger genannt werden sollen, nur noch selten in Clubs gehen, könnte es sogar sein, dass sie – und nicht die Clubs – die Hauptverursacher der Misere sind. Aber warum gehen Quasi-Clubgänger nicht mehr in Clubs? Manche ruhen sich möglicherweise aus, bleiben vorübergehend daheim und warten auf bessere Zeiten. Einige müssen sparen, andere glauben sich vielleicht zu alt, und noch ganz andere trauern um vergangene Zeiten und erinnern sich ihrer gefeierten Partys wie geschlagener Schlachten.

Vor allem jene, die in den Monaten seit der Schließung des seligen Ostguts und der Panoramabar ihr Vergnügen auf Ostgut- und Panoramabar-Gedächtnispartys suchen, haben sich zusehends in kulturpessimistisch vagabundierende Ostgut-Zombies verwandelt, die verbissen nach ihrem Gestern suchen. Alte Panoramabar-Hits, Panoramabar-DJs, Panoramabar-Hinweise auf Flyern, ein versprochenes Panoramabar-Feeling, lautstarke „Panoramabar! Panoramabar!“-Rufe, Panoramabar-Chatrooms und anderes Panorama-Zeugs helfen bei der vergeblichen Panoramabar-Suche weiter. Und dass die wichtigste der diversen Panoramabar-Gedächtnispartys unter dem viel sagendem Motto „Restrealität“ steht, spricht in Bezug auf den zu beklagenden Realitätsverlust sozusagen Bände.

Struktuell sind Panoramabar-Gedächtnispartys demnach mit Zusammenrottungen wie dem Schlesiertreffen durchaus vergleichbar. Abgesehen davon, dass nun jede Form der Gedächtnispartyfeierei von dem geradezu lächerlichen Wunsch beseelt ist, man könne es noch einmal so richtig schön krachen lassen wie beispielsweise anno 2002, steht der zwanghaft zelebrierte Ostgut-Kult einer gelungenen und gewünschten Wiedereröffnung des Ostguts in vielfacher Hinsicht im Wege. Zum einen nervt es auf die Dauer erheblich. Dann versperrt es den Blick auf neue Möglichkeiten. Und schließlich weckt es auch noch Erwartungen, die selbst ein schönstes, gelungenstes und wunderbarstes Neu-Ostgut nicht wird halten können.

Weil das eben so ist, bietet sich kurz vor Schluss ein Themawechsel an. Denn während die so genannten Ostgut-Zombies noch ihr neues Quartier suchen, haben andere es gefunden. Jahrelang war die aufstrebende Mitte-Schickeria auf der Ausschau nach einem Ort, an dem sie zu allen Tag- und Nachtzeiten einkehren konnte, um ihr Dasein als Teil der aufstrebenden Mitte-Schickeria zu feiern. Für manche hat die Suche zwar etwas zu lang gedauert, da aber stets jüngere Menschen aufzuschließen versuchen, ist das „24/7“ in der Torstraße nun die erste Adresse für alle Wannabes und Havebeens. Wie man hört, bestreitet Jürgen Laarmann passenderweise das Unterhaltungsprogramm, und mit frischer Steinofenpizza gibt es rund um die Uhr etwas zu essen. Guten Appetit!

HARALD PETERS