Berbatov steigert die Nachfrage

Leverkusens Dimitar Berbatov steht bei den Fans nach seinen beiden Toren gegen Hertha BSC Berlin wieder hoch im Kurs. Nur Trainer Klaus Augenthaler findet nach dem Spiel Anlass zu Kritik

Nun kombinierten die Leverkusener fast ungehindert durch eine Defensive, die diesen Namen nicht verdiente

AUS LEVERKUSEN ERIK EGGERS

Der achtjährige Knirps hatte schon reichlich Autogramme eingesammelt. „Hier!“, zeigte er seiner Mutter stolz sein Trikot mit eigentlich unleserlichen Unterschriften, „der Ramelow, der Babic und der Nowotny“. Trotzdem fing er an zu quengeln, rund eine Stunde nachdem Bayer Leverkusen den Abstiegskandidaten Hertha BSC Berlin mit 4:1 aus dem Stadion gefegt und die Chance auf die Champions League-Qualifikation bewahrt hatte. Denn der wichtigste Namenszug fehlte noch. „Wann kommt Berba?“, fragte er in Minutenabständen seine Eltern. „Berba“, mit vollem Namen Dimitar Berbatov genannt – das war auch für den Kleinen der Spieler des Tages gewesen. Hatte er doch mitbekommen, wie sehr die Menschen auf der Haupttribüne den Angreifer gefeiert hatten, als der in der 79. Minute ausgewechselt wurde: Tausende standen auf, um den Abgang des introvertierten Bulgaren zu beklatschen.

Das war auch deswegen ein ziemlich bewegender Moment, weil ihn die gleichen Menschen noch jüngst als „Chancentod“ und hoffnungslosen Fall beschimpft hatten. Vor exakt sieben Wochen hatte er gegen die Frankfurter Eintracht in den ersten 20 Minuten drei Hundertprozentige vergeben und sich zum Sündenbock für die Niederlage abstempeln lassen müssen. Nun avancierte der erst 23-Jährige vom Saulus zum Paulus, eine vormals tragische Figur schälte sich binnen weniger Tagen bei den Balkenblättern zum „neuen Bayer-Superstar“ (Express) heraus. Weil er soeben seine Saisontreffer zehn und elf erzielt hatte – soviel Tore hat er noch nie binnen einer Saison geschossen, seitdem ihn Berti Vogts vor drei Jahren zum Werksverein gelockt hatte. Wer will, kann diese rasche Metamorphose als Lehrstück dafür betrachten, wie schnell einbetoniert wirkende Einschätzungen im modernen Fußball über den Haufen geworfen werden können.

Berbatov nutzte, nachdem sein Team durch einen haltbaren Marcelinho-Freistoß früh in Rückstand geraten war und schwer angeknockt schien, die erste Chance mit einer Mixtur aus kalter Präzision und technischer Perfektion: Eine Flanke von Ramelow nahm er brillant mit und drosch den Ball aus vollem Lauf ein zum 1:1-Ausgleich. Allein diese Aktion war ein Moment von atemberaubender Schönheit und Eleganz, begünstigt durch die Hertha-Abwehr, die sich nicht auf eine Abseitsstellung einigen konnte. Als dann Simunic nur vier Minuten später unfreiwillig Franca zum 2:1 auflegte, war das Spiel gekippt. Nun kombinierten die Leverkusener fast ungehindert durch eine Defensive, die diesen Namen nicht verdiente. „Man hat gesehen, dass wir Fußball spielen können“, sagte hinterher Bayer-Kapitän Carsten Ramelow. „Wir haben richtige Geschenke verteilt“, urteilte Hertha-Coach Hans Meyer, der sich an der Seitenlinie in Rage geschrien hatte.

Gerade Simunic, der zuletzt laut Hertha-Manager Dieter Hoeness „überragend“ gespielt hatte, musste sich fortan fühlen wie in Dantes Hölle. Die Szene zum 4:1 wird der kroatische Nationalspieler in unliebsamer Erinnerung behalten, weil sie so vorhersehbar und trotzdem nicht zu verhindern war: Schneider war wieder einmal problemlos dem völlig indisponierten Rehmer entfleucht und flankte auf Berbatov, der rund sieben Metern mit dem Rücken zum Tor und zu Simunic stand. Trotz größter Bedrängnis nahm er den Ball an, drehte sich links um seinen Gegenspieler und schoss in die linke Ecke. Es war ein geradezu perfektes Tor, eines, das würdig ist, in einen Lehrfilm aufgenommen zu werden. Und es war der logische Abschluss für dieses Spiel, das bereits durch ein hineingestolpertes Tor von Franca in der 55. Minute vorentschieden worden war.

Dennoch gab es nicht nur Lob für die Figur des Tages. „Wenn er sein ganzes Potenzial ausschöpfen würde, hätte er heute drei oder vier Tore gemacht“, sagte sein Coach Klaus Augenthaler und spielte damit auf eine Situation an, in der Berbatov allein vor dem gegnerischen Keeper stand und diese Chance mit größtmöglicher Nonchalance vergab. Das war wieder der alte Berbatov gewesen. Der neue gab am Ende seines Arbeitstages noch lächelnd ein Autogramm und machte damit einen kleinen Jungen glücklich.