Zurück zu Frau Venus

Der Minne Zauberreich ist nicht mehr, was es früher war: Wo die Liebesgöttin Eier brät und Puschen trägt, fällt Büßen leicht. Doch Tilmann Knabes Tannhäuser-Inszenierung will zu viel zu platt zu laut

Das erste Buh in der Premiere von Richard Wagners Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg kam gut positioniert nach dem ersten Akt. Klar, das war kein sinnlich anregender Venusberg, wie sich die bürgerliche Gesellschaft, die wir noch immer sind, diesen so vorstellt.

Venus brät in einem schmuddeligen, müllverseuchten Versteck Rühreier, läuft eher wie eine ländliche Hausfrau mit Schürze und Puschen herum und Tannhäuser hat es nach vielen Jahren bei ihr gründlich satt. Er will weg, was Venus zum Eierschmeißen und Bratpfannen-Gefuchtel provoziert.

Der Regisseur Tilman Knabe, der wutentbrannt nach der Hauptprobe abgefahren ist, weil in vielen Punkten keine Einigung mit dem Dirigenten Lawrence Renes zu erreichen war, wollte nach dem ersten Akt keine Pause, weil der zweite Akt, die Wartburg, bei ihm derselbe Ort ist. Elisabeth singt „Dich teure Halle, grüß ich wieder“ und lässt den Raum vom Chor lautstark renovieren. Das wäre durchaus sinnvoll gewesen, aber die Theaterleitung war der Meinung, das Publikum brauche diese Pause.

In diesem zweiten Bild zeigt sich das Problem der ambitionierten Inszenierung: zu viel, zu platt, zu laut. So, wenn die „sündigen“ Venus und Tannhäuser auf dem Boden zur „reinen“ Elisabeth robben müssen, wenn Wolframs Lied durch das widerspenstige Gezappele von Tannhäuser regelrecht zerstört wird, und die feinen Herren auf der Wartburg sich gegenseitig die Gitarre wegreißen und beinahe eine Schlägerei losbricht.

Knabes richtige Idee, mit der Inszenierung den Außenseiter Tannhäuser herauszuarbeiten verliert an Glaubwürdigkeit, indem der eher als debiler Säufer dargestellt wird, denn als Mensch, der sich bestimmte Dinge dieser doppelbödigen Gesellschaft klar macht, um schließlich an ihr zu zerbrechen. Gut hingegen die Grundkonzeption: die fromme Elisabeth und die Prostituierte Venus nähern sich einander an, verbringen sogar ihr Leben gemeinsam, wenn sie im letzten Akt gemeinsam den Armen die Suppe ausgeben.

Da gibt es große Bilder: wie die Ritter der Wartburg Elisabeth die Engelsflügel ankleben wollen und sie wie eine Marionette existiert, ebenso die Rückkehr Tannhäusers aus Rom als alter Mann den es wieder zum Leben mit Venus zieht. Ein Wunsch, den er, fatal, mit dem Leben bezahlen muss: Landgraf Hermann, der inzwischen mit Parkinson im Rollstuhl sitzt erschießt ihn und die Gemahlin Elisabeth mit zitternder Hand. Großartig durchgeführt ist auch die Figur des Wolfram von Eschenbach, der als einziger alles begreift und mit großer Zärtlichkeit zu Tannhäuser hält.

Es gibt viel zu sehen und damit zu fühlen und zu denken in dieser ideenreichen Inszenierung. Zu häufig führt diese sich zwar selbst an ihre Grenzen. Aber das ist noch allemal besser als ein positionsloses Nachbeten der reinen Geschichte.

Es war der Abend der Bremer Philharmoniker und Lawrence Renes, der die revolutionäre Musik ebenso strukturell klar wie klanglich regelrecht durchglüht brachte. Paul Lyon in der höchst diffizilen Titelpartie steigerte sich nach anfänglichen Stimmproblemen, kam aber häufig nicht über das Orchester hinaus und brillierte vor allem als Darsteller. Venus und Elisabeth waren durch Barbara Schneider-Hofstetter und Birgit Eger sowohl in gesanglicher als auch schauspielerischer Hinsicht tadellos besetzt. Der bejubelte Glanzpunkt des Abends war jedoch Armin Kolarczyk als Wolfram von Eschenbach. So gab’s nach dem Buh des Anfangs ein nicht minder gut platziertes Bravo nach dem Schlussakkord.

Ute Schalz-Laurenze

Tannhäuser, Musicaltheater am Richtweg. Nächste Aufführungen: 4., 9., 16. und 30.4, jeweils 18 Uhr