Elternfreiheit fordert ihre Opfer

Bremer Eltern haben gewählt: es gibt zu wenig Gesamtschulen und genug Gymnasien. Ein Gutteil der gymnasial orientierten Eltern ignorierte die Empfehlungen der Grundschulen. In der Neustadt wurde das Projekt „Wilhem-Kaisen“ glatt abgewählt

Bremen taz ■ Ausgerechnet das Schulzentrum „Wilhelm Kaisen“ im Bremer Süden, ein Lieblingsprojekt sozialdemokratischer Schulpolitik, ist das erste Opfer der neuen Wahlfreiheit im Bremer Schulsystem. Dort sollte an einem Schulzentrum ganz neuen Typs ein druchgehender Gymnasialzweig entstehen, der zum Abi nach zwölf Jahren führt. Aber die Anmeldungen hierfür reichen nicht aus (siehe Kasten) „Wir müssen uns insgesamt neue Gedanken machen zum Schulkonzept im Bremer Süden“, sagte daher der CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer am Rande der jüngsten Sitzung der Bildungsdeputation.

Mit großer Spannung wurde dort auch die Antwort auf die Frage erwartet, wie die SchülerInnen sich nach Einführung der Wahlfreiheit auf die Angebote Gymnasium und Gesamtschule verteilen. Der Vergleich mit den Hamburger Zahlen zeigt, dass es trotz der unterschiedlichen Situationen in den Städten vergleichbare Trends gibt: In Hamburg meldete ein Fünftel der Eltern ihre Kinder in Haupt- oder Realschulen an, in Bremen waren es für den entsprechenden Typ „Sekundarschule“ 26 Prozent. Insgesamt 31 Prozent kamen in Hamburg auf einer Gesamtschule unter, in Bremen hätten gern mehr als 30 Prozent einen Platz in der Gesamtschule ergattert, es sind aber nur Plätze für rund 27 Prozent der SchülerInnen vorhanden. So mussten etwa in der Gesamtschule am Leibnizplatz 74 Kinder abgewiesen werden, an der Gesamtschule West 48. Das Gymnasium wählten 45 Prozent der Eltern – in Hamburg genauso wie in Bremen.

Die Bremer Schulbehörde hat auch berichtet, inwieweit denEmpfehlungen der Grundschule entsprochen wurde. Ergebnis: 27 Prozent der Eltern meldeten ihre Kinder in einer Gymnasial-Klasse an, ohne eine entsprechende Empfehlung zu haben.

An der Schule Flämische Straße in Huchting wurden in diesem Jahr nur zwei Schüler mit Gymnasial-Empfehlung ihrer Grundschule angemeldet. Sie wird die erste reine „Sekundarschule“ in Bremen sein. Die Koalition hatte sich darauf verständigt, auf die Dauer einzügige Gymnasialzweige an Schulzentren aus Kostengründen nicht mehr zuzulassen. „Bedroht“ sind dadurch auch die Gymnasial-Abteilungen im Ellener Feld oder an der Gerhard-Rohlfs-Schule in Vegesack.

Während der Bedarf an Gesamtschul-Plätzen jetzt schon für eine weitere Schule ausreichend wäre, mussten nur an den Gymnasien Horn und Vegesack neun beziehungsweise 15 SchülerInnen aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden. Klaus Wolschner