Das „Phantom“ steigt aus dem Boxring

Sven Ottke, Mittelgewichtsweltmeister, beendet seine Karriere mit einem unspektakulären Sieg über Armand Krajnc

„Und das tu ich jetzt.“ Ein kurzer Satz, prägnant und mit Pathos gesprochen. „Das“ ist dies: „Ich habe gesagt, dass ich in Magdeburg aufhören werde.“ Wann Sven Ottke, der 36-jährige Berliner mit dem Charme eines Edeka-Filialleiters, „das“ tun würde, hatte er so genau nicht angekündigt, aber dennoch ist es ein Rücktritt vom Profiboxen mit Ansage. Sonntagnacht gewann Ottke in Magdeburg so sicher nach Punkten über den Schweden Armand Krajnc, wie er in seinen 34 Profikämpfen meist gesiegt hatte: schnell auf den Beinen, ohne nennenswerte Schlagwirkung und den Eindruck nicht ganz verdrängen könnend, dass seine Art des Boxens eher eine des Davonlaufens ist.

Als „Schattenboxer“ bezeichnete ihn einmal die Welt, in der Sport-Bild wurde er als „Ottke Normalverbraucher“ vorgestellt, und von seinem Management ließ sich Ottke ganz offiziell als „Phantom“ vermarkten. Ihm war es recht, „denn so boxe ich ja auch“. Und in seiner Autobiografie „Ich lebe meinen Traum“ verkündet er, dass er tief in seinem Herzen Boxen hasst. Zumindest das Profiboxen, mit seinem Ballyhoo mag Ottke nicht, und sein Boxstil verrät es.

Als der Fernsehsender RTL Nachfolger für seinen Goldesel Henry Maske suchte, wurde „der Svenni“ aufgebaut. 1996, ein Jahr bevor Ottke Profi wurde, hatte er noch im Kicker gelästert: „Wenn Maske aufhört, wird der Boom schnell vorbei sein. Irgendwann hat jeder Blöde mitbekommen, dass Profiboxen wenig mit Sport zu tun hat.“ Ausgerechnet Ottke, der nette Kerl, der, ähnlich wie Maske, nicht das Schmierige im Profimilieu verkörperte, beerbte den „Gentleman“.

Doch seine Weltmeistertitel – zuletzt die der Verbände IBF und WBA – verliehen ihm keine besondere Aura. Dem Mann aus Westberlin, den so viele für einen Ossi halten, nimmt niemand so recht ab, dass er wirklich der beste Boxer in seiner Gewichtsklasse auf diesem Planeten ist. Nicht nur weil er seinen Weltmeistertitel nie in einem anderen der beinah 200 Länder dieser Erde als ausgerechnet Deutschland – und hier vor allem in Magdeburg – verteidigte, sondern auch weil sein Manager Wilfried Sauerland mit Marcus Beyer noch einen zweiten Weltmeister im Supermittelgewicht unter Vertrag hat. Sauerland, der unter dem Druck steht, für die ARD stets einigermaßen gute Boxabende zusammenstellen zu müssen, obwohl er so viele gute Boxer gar nicht mehr unter Vertrag hat, ließ Ottke nun am Samstag zwar nicht gegen Beyer, aber dennoch gegen einen Stallgefährten, nämlich Armand Krajnc, den früheren Mittelgewichtsweltmeister (WBO), antreten. Der Berliner sollte Druck bekommen, damit die letzten Kämpfe noch als spektakuläre Ereignisse in Erinnerung blieben. Ottke aber wollte lieber ungeschlagen abtreten und eine Zukunft als zufriedener Ehemann von Gabi Reha, einer früheren Spitzenschwimmerin, beginnen, als vielleicht einmal gründlich vermöbelt zu werden. Dann tat Ottke, das Phantom, halt „das“. MARTIN KRAUSS