DIE ARABISCHE LIGA OFFENBART DIE KRISE DER ARABISCHEN STAATEN
: Endzeitstimmung

Ein Reform-Gipfel sollte es werden, ein Scheich-Jassin-Gipfel wäre es geworden. Doch jetzt wurde das Treffen der arabischen Staatschefs in Tunis ganz abgesagt. Einmal mehr haben sich die arabischen Dinosaurier-Regierungen beim Krisenmanagement als völlig unfähig erwiesen.

Die arabische Welt befindet sich in einer prekären Situation. Nachdem jahrelang keine Reformen von unten durchgesetzt werden konnten, werden sie nun von außen, allen voran von Washington aufgezwungen. Der israelische Premier Ariel Scharon hat mit der Ermordung des Hamas-Führers Scheich Jassin einmal mehr bewiesen, dass er tun und lassen kann, was er will, und im Irak richten sich die US-Truppen trotz Souveränitätsversprechen für einen langen Aufenthalt ein.

Kein Wunder, dass in der arabischen Welt nicht nur eine Krisen-, sondern fast eine Endzeitstimmung herrscht. Nun ist im Chinesischen das Schriftzeichen für Krise das gleiche wie für Hoffnung, und die wenigen arabischen Optimisten hoffen, dass die Krise am Ende zu einem Aufbruch führen wird.

Nur: Das geht ganz sicher nicht mit den überkommenen arabischen Staatensystemen. Die Regierungen haben es in den letzten Jahren ja noch nicht einmal geschafft, ihr offensichtlich untaugliches regionales System der Arabischen Liga zu reformieren trotz zahlreicher Vorschläge: von einem arabischen Parlament, einem arabischen Sicherheitsrat oder einem arabischen Gerichtshof zur Lösung von innerarabischen Konflikten. Wie kann man dann ernsthaft erwarten, dass sie sich selbst reformieren?

Zwar führen neuerdings fast alle arabischen Staatschefs gern das Wort Reformen im Munde, aber nichts passiert. Denn sie stecken in einem unangenehmen Dilemma: Reformieren sie nicht, werden sie demnächst von außen und innen wegsaniert; reformieren sie, steht am Ende des Prozesses ebenso ihr Machtverlust. Also reagieren sie mit dem ihnen typischen Reflex: Sie stecken den Kopf in den Wüstensand und warten, bis sich der Sandsturm gelegt hat.

Die Gipfelabsage kommt einer weiteren Bankrotterklärung gleich. Das politische Vakuum ist größer geworden, und die einzige Frage, die sich nun noch stellt, ist, wer der Insolvenzverwalter wird: US-Präsident George W. Bush oder die arabischen Untertanen, die vielleicht eines Tages doch noch als mündige Bürger ihre Regierungen demokratisch zur Rechenschaft ziehen – auch wenn das Ergebnis dann nicht immer nach westlichem Geschmack sein wird? KARIM EL-GAWHARY