GENERELL LÄNGERE ARBEITSZEITEN SIND NICHT SINNVOLL
: Unflexibel im Kopf

Dem Standort Deutschland geht es schlecht, weil Arbeit für die Unternehmen zu teuer ist. Die Kosten der Unternehmen müssen demnach runter, damit sie wieder wettbewerbsfähig werden. Wettbewerbsfähig werden sie aber nur, wenn der Arbeitnehmer mehr arbeitet, ohne aber mehr zu verdienen. Am besten 42 Stunden bei gleichem Einkommen.

Irgendwie kommt einem diese Argumentation bekannt vor. War das nicht vor einem halben Jahr? Vor den Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektrobranche? Als ein Teil des von Wirtschaftsexperten prophezeiten Wirtschaftswachstums für 2004 allein der Tatsache geschuldet war, dass sechs Feiertage auf das Wochenende fallen? Derzeit wird in der Diskussion um den öffentlichen Dienst die gleiche Arbeitszeitdiskussion geführt – von den gleichen Protagonisten: Edmund Stoiber, Laurenz Meyer & Co. Allein: Die Argumentation wird nicht dadurch besser, dass man sie nur wiederholt.

Es nährt ja schon genügend Zweifel, wenn Politiker Pauschallösungen fordern – für alle Branchen, Unternehmensgrößen und auch -stärken. Das ist bei der von der SPD initiierten Ausbildungsplatzabgabe so, das ist bei der von CDU, FDP und diversen Wirtschaftsverbänden nun wieder geführten Debatte um Arbeitszeitverlängerung so. Noch mehr Zweifel an diesen Pauschallösungen muss man haben, wenn man bedenkt, dass die momentanen Wortführer in der Arbeitszeitdebatte zuletzt immer das Wort „Flexibilität“ geradezu inflationär in den Mund genommen haben. Was denn nun?

Im Kern basiert diese Diskussion auf einem Missverständnis: Arbeitszeitpolitik kann weder Arbeitsmarktpolitik ersetzen, noch ist sie das ausschließliche Mittel, um die Wirtschaft zu beleben. Das aber wird ständig suggeriert. Arbeitszeitpolitik ist zudem nur dann effektiv, wenn sie gerade nicht flächendeckend angewandt, sondern sich den Realitäten in den Betrieben anpasst. Arbeitszeitpolitik ist also ein betriebliches Gestaltungsmittel.

Und: Es wird in Deutschland auch angewandt, sogar vorbildlich. 84 Prozent der Firmen im verarbeitenden Gewerbe etwa reagieren mit Arbeitszeitanpassung (nach unten wie nach oben) auf die jeweilige Nachfragesituation, heißt es in einer EU-Managementbefragung. Im EU-Schnitt sind es nur 70 Prozent. Und der jüngste Tarifabschluss in der Metall- und Elektrobranche hat sogar die Notwendigkeit einer Innovationspolitik festgeschrieben – mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Wenn also über Standortfragen und Wettbewerbsfragen diskutiert werden soll, dann bitte schön mit ein bisschen mehr Flexibilität – im Hirn. THILO KNOTT