Nilpferde am Tümpel

Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Preisträgerarbeiten des diesjährigen Körber-Foto-Award, die sich, teils dokumentarisch, mit dem Thema „Lebensarten – Migration und Integration“ auseinander setzen

Sozialkritik ist nicht en vogue, zumindest nicht, wenn sie „abgedroschen“ ist. Schreibt der Fotograf und Juryvorsitzende Bernhard Prinz über Stefanie Becker, die Preisträgerin des dritten Körber-Foto-Award. 13 FotografInnen haben bei der Hamburger Stiftung Serien zum Thema „Lebensarten – Migration und Integration“ eingereicht, die jetzt im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen sind.

Doch was verbindet die Bilder russischer Migranten, bosnischer Vertriebener, türkischer Einwanderer, binationaler Liebespaare und minderjähriger Flüchtlinge? Vor allem ist es die Mixtur aus eigenem Alltag und dem Hereinbrechen des „Fremden“, das vielen der jungen Fotografen am Herzen liegt, die vor allem die kleine Geschichte im großen Drama suchen.

Safari hat die 1973 geborene Hamburgerin Stefanie Becker ihren Wettbewerbsbeitrag genannt, in dem sie in Afrika entstandene Aufnahmen wilder Tiere mit europäischer Alltagstristesse kombiniert. So entstehen Diptychen der besonderen Art: Da trifft ein Nilpferd im Wassertümpel auf eine Ansicht der Elbe bei Cuxhaven, ein Rudel Wildschweine steht neben Bauarbeitercontainern im Berliner Regierungsviertel – eine surreal anmutende Kombination.

Tatsächlich ist Safari eine neuartige fotografische Position. Eine überzeugende Preisträgerarbeit über „Migration und Integration“ ist sie indes nicht. Denn die größte Zahl der gezeigten Arbeiten bleibt näher am Thema. Im Stil zeitgenössischer Dokumentarfotografie zeigen sie die Alltagssituationen der Zuwanderer in Deutschland, wie etwa die Bremer taz-Fotografin Julia Baier. Sie hat in zwei Wohngemeinschaften „unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“ fotografiert. In klassischem Schwarz-Weiß auf Barytpapier fotografierte sie ein Bett, darüber ein Poster des Rappers Tupac Skakur. Anika Büssemeiers Porträts wiederum atmen den Titel ihrer Serie. „Du, du liegst mir am Herzen“ zeigt etwa den Autor von Russendisko, Wladimir Kaminer, im Berliner „Kaffee Burger“, aber auch die 82-jährige Ella Hartmann, die als Wolgadeutsche aus Kasachstan kam. Den hoffnungsvollsten Kommentar bietet vielleicht die Hamburgerin Petra Kohl. „Jake und Mareike“ und „Emma und Sundaraj“ heißen ihre Protagonisten, Liebespaare unterschiedlicher Nationalitäten, die sich umarmen – und gerade darin die starke Verletzbarkeit dieses Miteinanders offenbaren. MARC PESCHKE

Di–So 10–18, Do 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 17.6.