Gewerkschaften gegen Sozis

DGB in Norddeutschland ruft heute zur zentralen Kundgebung gegen die SPD-Agenda in Hamburg auf. Mit einer eigenen Agenda wollen die Gewerkschaften Kanzler Schröder stoppen. Schon heute harte Einschnitte bei Arbeitslosigkeit

von KAI VON APPEN

SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder wird in die Geschichte eingehen – das steht wohl jetzt schon fest. Wenngleich auch nicht als Friedenskanzler wie Willy Brandt, sondern eher als der sozialdemokratische Regierungschef, der es geschafft hat, den Bruch der Partei mit den Gewerkschaften zu besiegeln. Heute werden aus dem ganzen Norden in Hamburg GewerkschafterInnen gegen Schröders Agenda 2010 demonstrieren, in der Gewerkschaftszeitung Publik wird sein Vorhaben sogar offen als Kahlschlag des Sozialsystems getadelt.

Angeführt wird die Demo von den sozialdemokratischen DGB-Bossen Peter Deutschland (Nord) und Erhard Pumm aus Hamburg, (Platz vier auf der SPD-Bürgerschaftsliste), von ver.di-Vize und Ex-SPD-Fraktionschef Uwe Grund sowie den Chefs der Gewerkschaften ver.di und IG Metall, Wolfgang Rose und Frank Teichmüller: Ein Eklat erster Güte. Ihnen gehen die sozialen Einschnitte zu weit, um den Staatsetat für Prestigemaßnahmen wieder liquide zu machen.

So plant die rot-grüne Bundesregierung, das Arbeitslosengeld auf die Bezugsdauer von 18 Monaten drastisch einzustampfen. Und wer danach keinen Job bekommt, soll keine Arbeitslosenhilfe mehr erhalten, sondern mit Sozialhilfe auskommen.

Dagegen stellt der DGB seine eigene Agenda. „Der DGB setzt auf eine Reform der Finanzpolitik, unterstützt eine flexible Erweiterung der Tarifpolitik und setzt sich für eine drastische Senkung der Sozialausgaben ein sowie für ihre Gegenfinanzierung durch die öffentlichen Haushalte“, sagt Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm. „Bereits die gesetzlichen Neuregelungen bedeuten für Arbeitslose harte Einschnitte, doch sie sind nur der schwache Vorgeschmack auf das, was die Bunderegierung mit ihrer Agenda 2010 vorsieht.“ Pumm weiter: „Wir müssen alle Kräfte bündeln. um weitere Kürzungen zu verhindern.“

Was die Einschnitte bedeuten, bekommt Ute Kampf* (43) schon jetzt zu spüren: Nach 20 Jahren als Werbedesignerin in einer großen Plattenfirma in Hamburg ist sie nach der Fusion des Unternehmens entlassen worden. Ihre neue Vorgesetzte, eine 28-Jährige, teilte ihr mit, dass sie „keine älteren Mitarbeiterinnen“ dulde.

Ute Kampf bekam die betriebsbedingte Kündigung, allerdings versüßt mit einer guten Abfindung, die das Weiterleben erst mal möglich erscheinen ließ. Damit konnte sie zwar in den Urlaub fliegen, es war aber keine Zukunftsperspektive, zumal der Lebensgefährte inzwischen wegen Erkrankung arbeitslos war. Nach einem Jahr bekam Ute Kampf einen neuen Job. Doch nach nur wenigen Monaten machte auch diese Firma ebenfalls dicht, weil Kunden ihre Rechnungen nicht zahlten. Jetzt ist Kampf wieder arbeitslos und wird ab dem 1. Juli zum Freiwild. Ihr Lebensgefährte hat selbst als Fensterbauer eine lange Arbeitslosigkeit hinter sich, ist gerade umgeschult worden und hat nun einen neuen Job. Doch das alles nützt nichts.

Nun droht der Umzug, denn Flexilbilität ist Voraussetzung, wird die Personalagentur sagen. Kampf solle auf Zeitarbeit nach Bottrop ziehen, wo eine Werbeagentur dringend eine Arbeitskraft benötige. Trennung vom langjährigen Lebensgefährten, Aufgabe der heimischen Wohnung in Hamburg.

Aber was die Agentur verschweigt: Die neue Firma ist schon jetzt bankrott und wird die nächsten sechs Monate nicht überleben. Also wird Kampf wieder arbeitslos. Diesmal sitzt sie in einem möblierten Zimmer, ohne eigene Wohnung.

* Name geändert