Sainte Laguë, der Gerechte

Kurz vor der Stimmabgabe bietet die taz ein Sammelsurium von nützlichen und entbehrlichen Infos rund um den Urnengang – nicht nur für Hobby-Statistiker und Demokratie-Theoretiker

taz ■ Von den knapp 660.000 EinwohnerInnen Bremens und Bremerhavens dürfen am Sonntag überhaupt nur 490.000 wählen. Ausgeschlossen von der Wahl sind neben Kindern und Jugendlichen beispielsweise die rund 69.000 BremerInnen ohne deutschen oder EU-Pass. Ins Wählerverzeichnis kam nur, wer bereits am 20. April in Bremen seinen Hauptwohnsitz hatte. Wer wohnsitzlos ist, aber trotzdem in Bremen lebt, kann auf Antrag aufgenommen werden. Davon machten bis Donnerstag sechs Obdachlose Gebrauch.

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Um den Titel „Mitglied der Bremischen Bürgerschaft (MdBB)“ buhlen in Bremen 156 Männer und 88 Frauen, in Bremerhaven 57 Männer und 20 Frauen (blauer Stimmzettel). Platz im Parlament ist allerdings nur für 67 Abgeordnete aus Bremen und 16 aus Bremerhaven, die auch nur in ihrer eigenen Stadt gewählt werden können. Für die 330 Plätze in den 22 Bremer Beiräten kandidieren insgesamt 552 Männer und 243 Frauen (gelber Stimmzettel).

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Normalerweise dauert eine Legislaturperiode in Bremen vier Jahre. Weil sich die Bürgerschaft 1995 zum 7. Juni vorzeitig auflöste („Piepmatz-Affäre“), endet seither jede Bürgerschafts- und Beirats-Wahlperiode an diesem Tag. Die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung blieb im alten Rhythmus. Sie wird daher erst am 28. September 2003 gewählt.

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Die Bremische Bürgerschaft ist das Landesparlament des Zwei-Städte-Staates mit neuerdings insgesamt 83 Sitzen (bisher: 100). Die 67 Abgeordneten aus Bremen (nicht Bremerhaven) bilden zugleich das Kommunalparlament der Stadt Bremen.

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Die 7.150 EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Bremen dürfen zwar das Kommunalparlament, nicht aber das Landesparlament mitwählen. Daher bekommen sie grüne Stimmzettel (statt blauer), die getrennt und erst am Montag ausgezählt werden. Die 67 Stadtbremer Sitze im Parlament werden dann zweimal verteilt: Einmal werden sowohl die blauen als auch die grünen Stimmzettel berücksichtigt (das ergibt dann die Sitzplatzverteilung in der Stadtbürgerschaft), einmal nur die blauen (für die Sitzplatzverteilung im Landtag). Die Abgeordneten der Stadtbürgerschaft und die Bremer Abgeordneten im Landtag sind also nicht automatisch identisch. EU-BürgerInnen, die ins Parlament gewählt werden, dürfen dort nur in der Stadtbürgerschaft sitzen. Für die Sitzungen des Landtags müssen sie ihren Platz an die/den nächste/n deutsche/n KollegIn auf der Liste abtreten.

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Zum ersten Mal bei einer Landtagswahl überhaupt werden die 67 Bremer und 16 Bremerhavener Sitzplätze in der Bürgerschaft und die in den 22 Beiräten morgen nach dem Divisorverfahren von Sainte Laguë/Schepers verteilt, das als besonders gerecht gilt. So funktioniert’s: Die absoluten Stimmenzahlen der einzelnen Parteien werden jeweils durch die Divisoren 1, 3, 5, 7, 9 und so weiter geteilt. So entsteht für jede Partei eine Zahlenreihe. Unter allen Zahlen aus allen Zahlenreihen zusammen sucht man dann die 67 (Bremen) beziehungsweise die 16 (Bremerhaven) höchsten Zahlen heraus. Die zugehörige Partei erhält den jeweiligen Sitz. Falls um den letzten Sitzplatz zwei Parteien mit zufällig gleich großen Zahlen konkurrieren sollten, entscheidet der Landeswahlleiter per Los.

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Beim großen Dividieren und Plätzeverteilen in beiden Städten werden jeweils nur die Parteien und Wählervereinigungen berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen erhalten haben. Weil die Wählerstimmen für Parteien, die an der Hürde scheitern, verloren sind und nicht berücksichtigt werden, dürfte das Überspringen der Hürde selbst in Bremerhaven – dort gibt es nur 16 Mandate – ausreichen, um zumindest einen Sitz im Parlament zu erringen. In den Beiräten gibt es keine 5-Prozent-Hürde.

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Jede Partei, die mindestens ein Prozent der gültigen Stimmen erringt, wird dafür bis zur nächsten Wahl vom Staat entschädigt, und zwar mit 85 Cent pro Stimme und Jahr. Wählervereinigungen erhalten nur 51 Cent. Beiratsstimmen bringen nichts ein.

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Die Wahllokale sind am Sonntag allesamt von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Für alle, die in letzter Minute noch erkranken oder verreisen, gibt das Wahlamt (Bremen: An der Weide 14-16, Bremerhaven: Hinrich-Schmalfeldt-Str., Stadthaus 1) am Samstag von 9 bis 13 Uhr und am Sonntag von 8 bis 15 Uhr noch Wahlscheine und Briefwahlunterlagen aus. Die ausgefüllten Stimmzettel müssen in jedem Fall bis spätestens Sonntag, 18 Uhr, dort abgegeben werden.

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Bremen und Bremerhaven sind in insgesamt 332 Wahlbezirke und 82 Briefwahlbezirke aufgeteilt. Im allerkleinsten Wahlbezirk sind lediglich drei Wahlberechtigte gemeldet. Dort sowie in zwei weiteren Mini-Wahlbezirken gibt es mangels ausreichender Wählerschaft allerdings kein eigenes Wahllokal.

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Rund 3.000 ehrenamtliche HelferInnen sorgen dafür, dass am Sonntag an den 329 Urnen und bei der öffentlichen Auszählung (ab 18 Uhr in den Wahllokalen; für die Briefwahl: im Alten Gymnasium, Kleine Helle 7, Bremen) keine Stimme verloren geht. Die Demokratie-Engagierten erhalten dafür 30 Euro Erfrischungsgeld, Stadtbedienstete zusätzlich einen Tag frei. Am wenigsten zu tun haben die HelferInnen wohl im stadtbremische Überseehafengebiet in Bremerhaven: dort wohnen ganze 31 Wahlberechtigte. sim