Aufeinander zuradeln

Am Sonntag ist wieder einmal Großkampftag für Radfahrer. Bei der diesjährigen Sternfahrt des ADFC zum Brandenburger Tor geht es neben allerlei Spaß auch um die Sicherheit auf Radwegen. Das Motto: „Respekt für Radler“

Gut frühstücken und bei Sonnenschein auf den Sattel schwingen heißt es wohl auch morgen wieder. Dann werden die Drahtesel von der Laterne geschraubt oder aus dem Keller geholt, und es dürften wohl noch ein paar mehr sein als an einem gewöhnlichen Berliner Werktag, die sich radelnd auf die Straßen machen. Denn wann sonst als bei der jährlichen Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) kann der Berliner Radler über die Avus-Rennpiste gleiten? Da wird ein Radfahrertraum wahr – flink in den 21. Gang geschaltet, einen Blick auf das Straßenschild geworfen, und mit höchstens Tempo 80 geht’s in Richtung Brandenburger Tor.

Bei so viel freiem Asphalt fällt die Entscheidung für das Fahrrad nicht schwer. Was kann bei solcher Autofreiheit schon passieren? Doch nicht immer sind Radler so glücklich wie morgen, „zu viele Autos, zu viele Kreuzungen, zu wenige Radwege“, das sind die Klagen der Spree-Radler.

Auf den ersten Blick gewinnt das Rad im Vergleich: Da stehen 2,5 Millionen Drahtesel auf der einen Seite und 1,4 Millionen Autos auf der anderen Seite. Aber was sind schon tagtäglich zehntausende Radler gegen hundertausende Pferdestärken, die sich auf ein, zwei oder gar drei Spuren drängeln. Ein heißes Pflaster also, zu heiß für viele Berliner.

„Wir hören oft, dass sich die Leute nicht zu radeln trauen“, berichtet Benno Koch. Der Landesvorsitzende organisiert zusammen mit seinen Kollegen vom ADFC die Sternfahrt und glaubt, dass 500 Kilometer abgesperrte Straßen für viele ein Grund sind, mal wieder auf den Sattel zu steigen. Denn nur 10 Prozent der Berliner Straßen sind mit Radwegen ausgestattet, insgesamt nur 753 Kilometer ist das Streckennetz lang.

Dazu kommt, dass Radwege oft nicht sicherer sind als die Radfahrt auf der Autostraße. Im Gegenteil: „Drei Viertel aller schweren Radunfälle finden auf befestigten und baulich getrennten Radwegen statt“, berichtet der ADFC-Chef. Der Grund ist nach seinen Angaben der zu große Abstand zwischen Radlern und Autos. „Wen man im fließenden Verkehr nicht wahrnimmt, mit dem rechnet man auch nicht an Kreuzungen und Einmündungen.“

Aus den Augen, aus dem Sinn, dasgilt eben auch beim Radverkehr, und deshalb fordert der ADFC, dass das wenige Geld – knapp 2 Millionen Euro hat der Senat dieses Jahr für den Ausbau der Radwege bereitgestellt – sinnvoll eingesetzt wird.

Für die Fachleute vom ADFC ist klar, was zu geschehen hätte: Die Radwege müssen runter von den Bürgersteigen und stattdessen in Form von Radfahrspuren auf den Fahrbahnen markiert werden.

Dennoch ist Koch zuversichtlich, dass Berlin Fahrradhauptstadt werden kann, die Voraussetzungen jedenfalls seien optimal: „Der öffentliche Personennahverkehr ist gut ausgebaut, es ist flach, regenarm und wir haben ein gemäßigtes Klima.“ Womit wir auch wieder bei der Sonne wären. Die soll morgen lachen, das Thermometer bis auf 27 Grad steigen, und erst am Nachmittag könnte es Gewitter geben. MAX HÄGLER