Keine Ruhe im Karton

Während der Grünen-Streit um Amt und Mandat im Bund zu Ende sein soll, geht es im Berlin jetzt erst richtig los. Für eine eigene Urabstimmung steht angeblich schon die Hälfte der nötigen Unterstützer

von STEFAN ALBERTI

Steffi Lemke diktierte es mit Nachdruck in die Schreibblöcke. „Die Debatte ist mit der Urabstimmung beendet“, sagte die Grünen-Bundesgeschäftsführerin gestern nach dem klaren Votum für eine Vereinbarkeit von Amt und Mandat. Vielleicht gilt das im Bund. Im Landesverband aber geht es jetzt erst richtig los. Denn der Kreisvorstand Tempelhof-Schöneberg drängt auf eine eigene Urabstimmung, um die Satzung auch auf Landesebene zu ändern. Gut die Hälfte der dafür nötigen 350 Unterschriften sollen schon zusammen sein. „Das Ergebnis ist eine starke Ermutigung für uns“, sagte Kreisvorständler Jürgen Roth.

Bei der Abstimmung votierten rund 67 Prozent für die Satzungsänderung. Nötig war nur eine einfache Mehrheit. Vorangegangen waren gescheiterte Änderungsanträge bei Parteitagen. Fortan dürfen im sechsköpfigen Bundesvorstand zwei Abgeordnete sitzen. Ausgenommen sind Fraktionschefs und Minister. So will es Roth auch in Berlin.

Landeschef Till Heyer-Stuffer war enttäuscht: „Ich bedauere, dass das Ergebnis in diese Richtung ausgefallen ist.“ Er habe diese Tendenz zwar erwartet, jedoch nicht so deutlich. „Das wird bei uns aber keine Revolution auslösen.“ Die Partei habe kein Interesse, sich wieder mit Strukturen zu beschäftigen. Eine Berliner Abstimmung hält Heyer-Stuffer für chancenlos, weil dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre, die er nicht sehe.

Der Initiator der Urabstimmung, Roth, sieht das anders. Er erwartet eine deutliche Rückwirkung des klaren Ergebnisses auf die Berliner Grünen, „auch wenn die Sache kein Selbstläufer wird“. Damit es zur Landes-Urabstimmung kommt, der zweiten überhaupt, müssen 10 Prozent oder 350 der rund 3.500 Mitglieder eine entsprechende Forderung unterschreiben. Auf Basis von Roths Schätzung fehlen dazu noch etwa 170. Die Unterschriften müssen nicht bis zu einem bestimmten Datum vorliegen.

Roth kann dabei nicht komplett auf seinen allein schon 500 Mitglieder starken Kreisverband setzen. Die Grüne Jugend in Tempelhof-Schöneberg lehnt die Urabstimmung ab. „Die Grünen brauchen keine Machtballung“, sagt ihr Sprecher Felix Tintelnot. „Statt Geld in eine überflüssige Urabstimmung zu stecken, sollte der Kreisverband lieber dringend notwendige Projekte im Bezirk unterstützen.“ Auf Bundesebene unter 43.500 Mitgliedern kostete die Urabstimmung um die 70.000 Euro. Auf die Größe des Landesverbands heruntergerechnet, wären es für eine Berliner Variante rund 5.600 Euro. „Demokratie ist nie zum Nulltarif zu haben“, sagt Roth dazu.

Fraktionschefin Sibyll Klotz freute sich zwar über die Satzungsänderung: „Grundsätzlich werden wir das auch in Berlin irgendwann so haben.“ Jetzt eine Urabstimmung zu starten lehnte sie ab, weil ein Parteitag die bisherige Regelung erst im Februar leicht lockerte. Seither dürfen Mandatsträger in einem neuen erweiterten Landesvorstand sitzen. Der Kernvorstand bleibt für sie tabu. Klotz will daran vorerst nicht rütteln: „Ich halte es nicht für sinnvoll, dass wir diese erst gerade beschlossene Regelung gleich wieder in Frage stellen.“