tonspur
: Hit-Rotation

Zum Glück muss ich nicht nur Top-Hits spielen. Das wissen Sie als fleißige ZuhörerInnen, Sie kennen den Unterschied zwischen Formatradio und Radio von Format, zwischen A, B, C und X, Y, Z-Rotationen. Hab ich Recht? Ich habe Recht. Trotzdem – manchmal haben solche Top-Hits ja auch was. Sind catchy, haben Ohrwurmpotenzial, nisten sich irgendwo im Kopp ein und kommen da nicht wieder raus. Gutes Beispiel: Was folgt auf „Gibt es eigentlich sehr viele Schlümpfe?“ Na? „Ja so viel wie kaputte Strümpfe!“. Oder „You’re in my heart, you’re in my … what?“ Na? „Soul“, ich hör Sie schon brüllen. So einen Bockmist hat man jahrelang im Kopf. Top-Hits eben.

 Damit immer wieder solche Top-Hits in Ihren Köpfen einziehen und die Portmonnaies findiger Produzenten füllen, hat Paul Plamper das Hörspiel „TOP HIT leicht gemacht. In 50 Minuten an die Spitze der Charts“ ersonnen. Ein halbernster Ausflug in die Welt der Charts- und Heartbreaker, voller echter O-Töne und falscher Musik, unterhaltsam zusammengemurkst: „1. Regel: Bereite dich vor auf einen wilden Ritt durch wüste Metaphern.“

 So geht die Gebrauchsanleitung los. Dann begeben sich die Top-Hit-Experten auf die Straße und machen eine Umfrage. „Bist du arbeitslos“, fragen sie unschuldige PassantInnen, der erste echte Arbeitslose wird sofort weggecastet, mit den nächsten Regeln gebrieft und nach Hause geschickt. Schön die Charts stürmen. „2. Regel: Erkläre die Fernsehhitparade zum wöchentlichen Gottesdienst und lerne daraus.“ Der Exarbeitslose und Top-Hit-Macher in spe hockt zu Hause und versucht, den Pop-Blabla der Songs mitzusummen. (Bevor du zu Bett gehst, muss dir ein Name für deine Plattenfirma eingefallen sein!), umgeben von Bravo-Hits Volume 1 bis 10.000 und The Dome. „3. Regel. Du brauchst fünf aufeinander folgende Tage in einem 24-Track-Studio.“ Der Top-Hit-Macher ruft ein Tonstudio nach dem anderen an und will sich als „Real Records“- Produzent dort einmieten. (Du brauchst einen Programmierer! Am besten einen, der auch Keyboards spielt!) Der Hitproduzent produziert letztendlich auch irgendetwas, eine Mieze singt es ein, ein Programmierer mauschelt daran herum, das Ganze wird an die Charts geschickt … ich würde vorschlagen, Sie hören sich die vollen 50 Minuten an, und wenn Paul Plamper nicht zu sehr gelogen (oder „künstlerisch übertrieben“) hat, dann hör ich ja bald was von Ihnen, nicht wahr? (27.5., 20.10 Uhr, Deutschlandfunk)

 Und falls es bei Ihnen nicht klappt mit dem Hit, weil Sie einfach schon zu alt sind, die Augen können nicht mehr so, wie sie mal konnten, Ihre Brille macht oben klein und unten groß (obwohl, ich mag Männer mit Brille, sie erinnern mich immer so sehr an den, der mich damals zusammengelötet hat!), dann hören Sie einen Tag später rein: „Alt wird man schon – wer aber wird klug?“ fragte Goethe einst, und ein Autor mit dem unglaublichen Namen Melchior Schedler hat diese Frage seinem Hörspiel vorangestellt. In drei Dialogen lässt er deutsche SeniorInnen zu Wort kommen, sie reden über die verdorbene Jugend, den Partisanenkrieg, das Teufelswerk Computer, Urlaub … wann haben Sie fremden Senioren, außer längst ausrangiert gehörenden Politikern, eigentlich das letzte Mal richtig zugehört? („Deutsche Senioren sprechen – Senioren sprechen deutsch“, 28. 5., 16.05 Uhr, BR)

 Wo wir von Top-Hits gesprochen haben, ich MUSS Ihnen einen Top-Buchtitel ans Herz legen, den letzten Teil der SWR-Japan-Reihe, als Höhepunkt hat der Sender den Bestseller „Kitchen“ von Banana Yoshimoto in ein Hörspiel verwandelt. Das erste Werk der jungen Autorin wurde 1988 ein Kultbuch, noch nie hatte jemand so frisch und ehrlich über die japanische Jugend geplaudert, und obwohl das Buch von scheinbar oberflächlichen Eindrücken und Plappereien nur so wimmelt, ergibt sich aus dem Ganzen ein extrem interessantes, nun ja, Sittengemälde will ich mal sagen. (25.5., 16.05 Uhr, SWR2)

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