Aldi melkt die Milchbauern

Vor der Aldi Nord-Zentrale in Essen protestierten 700 Landwirte aus NRW und Niedersachsen gegen die Existenz gefährende Milchpreis-Politik der Discounter. „Die Sklaverei muss ein Ende haben“

VON NATALIE WIESMANN

Gegen die Milchpreis-Politik der großen Lebensmittel-Discounter demonstrierten gestern 700 nordrhein-westfälische und niedersächsische Bauern in Essen. Mit Trillerpfeifen und Kuhglocken gerüstet, blockierten die Landwirte die Ausfahrt der Aldi-Nord-Zentrale in Essen-Kray und ließen aus Protest Milch auf die Straße laufen.

„Mit 27 Cent pro Kilogramm ist der Milchpreis beim Stand von 1977 angekommen“, verkündet der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), Franz-Josef Möllers vor den versammelten Bauern. Bei 30 bis 32 Cent Produktionskosten würde sich ein Milchbetrieb in Deutschland nicht mehr rentieren, im Gegenteil: Man zahle drauf. Derzeit verhandeln die Molkereien mit dem Lebensmittel-Einzelhandel die Milchpreise neu. Dabei wollen die Bauernverbände auch die Molkereien in die Pflicht nehmen: „Ich werde den Eindruck nicht los, dass einige Molkereien wie ein ängstlicher Hühnerhaufen gegenüber den marktführenden Discountern auftreten“, so Möllers.

Auch Kritik an der Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) blieb nicht aus: „Sie hat auf EU-Ebene die Senkung der Milchpreise mitgemacht und gleichzeitig für eine Quotenerhöhung mitgestimmt“, bemängelt der Verbandschef. Damit tue man Künast unrecht, meinen die Grünen: „Die Verramschung der Milchpreise gefällt uns auch nicht“, so Friedrich Ostendorff von der Bundestagsfraktion der Grünen, selbst Biobauer in Bergkamen. Aber auf EU-Ebene hätte die Verbraucherschutzministerin mit Hilfe von Frankreich eine Erweiterung der Milchproduktion von 2,5 Prozent auf 1,4 Prozent senken können. Bei gestrigen „Milchgesprächen“ in Berlin habe man mit französischen Experten darüber diskutiert, wie man die Überschüsse auf dem europäischen Markt bringen kann. „Denn bei einer Verknappung der Milch in Deutschland hat Aldi keine Macht mehr über die Milchpreise.“

Doch das hilft zu diesem Zeitpunkt den Bauern nicht weiter. Maria Schüttert, eine junge Landwirtin aus dem Kreis Borken, macht sich Sorgen um ihren 60-Kühe-Familienbetrieb. „Früher konnte man davon leben, aber bei 27,5 Cent pro Liter können wir nicht einmal kostendeckend arbeiten.“ – „Wenn das so weitergeht, entstehen hier bald milchfreie Zonen“, befürchtet Arnold Weßling, Vorsitzender des Milchausschuss des WLVs. Die „Wer-hält-es-am-längsten-aus“-Politik könne nicht weiter betrieben werden. Ohne eine Verbesserung der Lage der Milcherzeuger würden in den nächsten drei bis vier Jahren die Hälfte der Betriebe zumachen müssen, so Weßling.

Als die Veranstaltung sich dem Ende näherte, waren die Bauern einen Schritt weiter: Aldi ließ die Präsidenten der anwesenden Landwirtschaftverbände – Westfalen-Lippe, Rheinland und Niedersachen – ins Haus und war bereit, Gespräche zu führen. „Wenn die Verhandlungen keine zufriedenstellenden Ergebnisse zur Folge haben, kommen wir wieder“, droht Bauer Heinrich Disselmann aus dem westfälischen Warendorf. Bei Redaktionsschluss war zu hören, dass die Verhandlungen der Bauerndelegation mit Aldi „positiv verlaufen“ sei.

Der Protest der Bauern gegen das Preis-Dumping begann vor vierzehn Tagen: Ein Landwirt aus Olpen kippte vor lauter Wut seine Milch vors Haus der Molkerei Campina, die nur 23 Cent pro Liter bieten wollte. Vor acht Tagen protestieren dann 400 Bauern vor der Metro-Zentrale in Düsseldorf.