Nachträgliches Votum über Krieg

Bei Spaniens Kommunal- und Regionalwahlen könnten Ministerpräsident Aznar und seine Partei wegen ihrer Unterstützung der USA im Irakkrieg abgestraft werden. Die kommunalpolitischen Themen sind völlig in den Hintergrund gerückt

aus Madrid REINER WANDLER

Spaniens Ministerpräsident José María Aznar steht vor seinem schwierigsten Urnengang. Am Sonntag wählen die Spanier die Kommunal- und Regionalvertretungen. Laut Umfragen drohen Aznars Volkspartei erhebliche Verluste, weil noch unter dem Eindruck des Irakkrieges gewählt wird. 92 Prozent waren in Umfragen gegen Aznars Unterstützung der USA in diesem Konflikt. Das könnte jetzt in so mancher Großstadt zum Machtwechsel führen.

Allen voran zeichnet sich sowohl in Madrid selbst als auch in der Region um die Hauptstadt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rechten und Linken ab. Die Parteien werten die jetzigen Wahlen als richtungsweisend für die Parlaments- und Europawahlen 2004. Der Wahlkampf war deshalb so heiß wie kein anderer Kommunalwahlkampf zuvor.

Sowohl Aznar als auch der sozialistische Oppositionsführer José Luis Rodríguez Zapatero reisten unermüdlich durchs Land. Keiner der beiden redete viel über Kommunalpolitik. Aznar lobte seine Wirtschaftspolitik, die in den letzten Jahren rund 100 Arbeitsplätze täglich geschaffen hat. Er versprach weitere Steuersenkungen, Rentenerhöhungen und das Ende des ETA-Terrorismus. Den Sozialisten warf er vor, „Spanien zurück in die Arbeitslosigkeit“ führen zu wollen und „die nationale Einheit zu gefährden“. Sein sozialistischer Kontrahent, der gegen den Krieg auf die Straße ging, sei „verantwortungslos“.

Auch Zapatero schoss sich auf die großen Themen ein. Er möchte „Aznar den Ausgang zeigen“. Auch sprach er immer wieder vom Tankerunglück der Prestige und vom Irakkrieg. „Besser ein Anstecker gegen den Krieg als eine Medaille von Bush“, lautete einer seiner Slogans.

Da blieben nicht nur die Sorgen der Bürger vor Ort über höhere Wohnungspreise oder die steigende Kriminalität auf der Strecke, sondern auch die Vorschläge kleiner Parteien. Die sozialistische PSOE tat alles, um sich als einzige Linke darzustellen. Eine Stimme für andere sei eine Stimme für Aznars PP, hieß es immer wieder. Die Vereinigte Linke (IU) drohte anfänglich gar in einigen großen Städten nicht wieder in die Gemeinderäte zu kommen. Erst die Anti-Kriegs-Proteste halfen der kommunistischen Formation wieder.

Noch schwerer wird es für die Grünen. Erstmals treten sie mit eigenen Listen an. Die Partei, die bisher oft bei IU untergeschlüpft war, zielt besonders auf Madrid. Dort kandidiert für sie der unabhängige Europaparlamentarier José María Mendiluce, der durch seine Arbeit beim UN-Flüchtlingskommissariat auf dem Balkan bekannt ist. Ob er die Fünf-Prozent-Hürde nimmt, wird eine der spannendsten Fragen des Wahlabends. Zieht er mit den Seinen in den Stadtrat ein, wäre dies die Entscheidung für eine neue linke Mehrheit aus PSOE, IU und Grünen in der Hauptstadt.

Unter ganz besonderen Vorzeichen stehen die Wahlen im Baskenland. Dort nimmt erstmals keine Formation teil, die der ETA nahe steht. Nachdem das Oberste Gericht im März den politischen Arm der bewaffneten Separatistenorganisation, Batasuna, verboten hatte, ereilte die unabhängigen Listen, auf denen die gleichen Kandidaten untergeschlüpft waren, als „Nachfolgeorganisationen“ das gleiche Schicksal. Die radikalen Nationalisten rufen dazu auf, am Wahltag dennoch die übers Internet auszudruckenden Stimmzettel in die Urnen zu schmeißen. Diese ungültigen Voten bereiten den großen nationalistischen Parteien, den im Baskenland regierenden PNV und EA, Sorgen. Vielerorts stellten sie bisher mit Batasuna-Unterstützung den Bürgermeister. Jetzt drohen diese Gemeinden an PSOE und PP, die dort gemeinsam gegen den Nationalismus kämpfen, zu fallen.