Das Ölkartell zieht die Zügel an

Nach Einschätzung von Experten peilen die Rohöl-Exporteure einen höheren Preis an. Opec nutzt den Förderausfall im Irak. Steigende Nachfrage und vermehrte Spekulation treiben außerdem den Preis

AUS BERLIN HANSJÖRG KISSEL

Während sich die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) morgen in Wien trifft, nehmen die Hinweise auf eine Änderung der Politik des Kartells zu. Die Ölexporteure peilen einen höheren Verkaufspreis an, der zwischen 28 und 30 Dollar pro Barrell (159 Liter) liegen könnte. Gestern kostete das Opec-Öl 32,61 Dollar – was sich hierzulande in steigenden Benzinpreisen niederschlägt.

An der Warenterminbörse in New York hatte Rohöl am 17. März sogar den Höchststand aus den Zeiten des Irak-Kuwait-Krieges von 1990 erreicht: über 38 Dollar pro Barrel. „Die Opec scheint ihre Preisstrategie zu ändern“, sagt Manfred Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Lag der Zielpreis des Kartells bisher bei 25 Dollar pro Barrel, wird die Opec in naher Zukunft 28 bis 30 Dollar anpeilen.

Nach Ansicht des Ölexperten Rachid Ouaissa von der Universität Leipzig will die Opec so möglichst hohe Gewinne erzielen, bevor der Irak unter US-amerikanischer Lenkung auf den Ölmarkt zurückkehrt. Zwar exportiert das kriegsgebeutelte Land derzeit nur kümmerliche zwei Millionen Barrel pro Tag, und der Pipeline-Transport zum Überseehafen Basra ist wegen ständiger Sabotagen kaum möglich. „Aber wenn dort wieder etwas funktioniert, dann ist es der Ölhandel“, bekräftigt Ouaissa.

Schon seit der Asienkrise 1997 drückt die Opec ihre Produktion, was den Preis hochhält, den Mitgliedstaaten höhere Gewinne einbringt und in den Käuferländern die Reserven verknappt. Anfang Februar dann schockte die Opec die Industriestaaten mit der Ankündigung, die Produktionsquote ab April nochmals um eine Million Barrel pro Tag zu senken. Diesen Termin wird die Organisation morgen freilich auf Juni verschieben, was dem zunehmenden Druck der USA geschuldet ist. „Der steigende Ölpreis ist inzwischen ein Wahlkampfthema in den USA geworden“, begründet Öl-Experte Ouaissa.

Ein weiterer Grund für den stetig steigenden Ölpreis ist die zunehmende Nachfrage. Auf über 78 Millionen Barrel pro Tag ist der weltweite Verbrauch inzwischen gestiegen. Nach Schätzungen der „International Energy Agency“ wird Ende dieses Jahres der Ölkonsum mit fast 82 Millionen Barrel pro Tag einen neuen Höchststand erreichen. Die Ursache dafür stellt hauptsächlich das chinesische Wirtschaftswachstum dar, das allein im vergangenen Jahr bei über acht Prozent lag.

Ein guter Teil der Weltproduktion kommt aus den Mitgliedstaaten der Opec, die fast 30 Millionen Barrel Rohöl pro Tag gewinnen. Ein wachsender Einfluss auf die Preisbildung wird außerdem dem spekulativen Handel zugeschrieben. Zwar weisen darauf meistens die Ölminister der Opec-Staaten hin, die grundsätzlich einen Ölüberschuss zugunsten der Finanzinvestoren beklagen – was dem Kartell einen Grund zur Produktionsdrosselung liefert. Aber auch andere Experten beobachten eine Zunahme der Spekulation, meistens durch Hedge-Fonds. Der Handel mit Kaufs- und Verkaufsoptionen für die Zukunft verlagert die Preisbildung des Öls auf eine labile Ebene. Anleger reagieren nervös auf politische Krisen wie etwa den Generalstreik im Förderland Venezuela und treiben damit den Weltmarktpreis nach oben.

Hohe Nachfrage, geringes Angebot, Spekulation und leere Lager im Westen – ein prekäres Gemisch für die Industriestaaten, das die konjunkturelle Erholung der Industriestaaten bedrohen könnte. In den USA lag die Vorratsmenge Anfang 2004 sogar unter dem Mindeststand von 270 Millionen Barrel. Nun hinterlässt der Zustand des Ölmarktes auch seine Spuren beim Benzinpreis. Bis zu 1,14 Euro pro Liter Super müssen an deutschen Zapfsäulen gezahlt werden. In den USA ist der Spritpreis, der mit durchschnittlich 1,74 Dollar pro Gallone (3,8 Liter) Rekordhöhe erreicht hat, inzwischen zum Wahlkampfthema für Bush und seine Herausforderer avanciert.

Zwar steigt der Preis nach dem Winter grundsätzlich leicht an, da schlichtweg mehr Auto gefahren wird – aber in den letzten Jahren macht sich noch ein anderer Einfluss bemerkbar: Der Benzinhunger im Autoland USA kann nicht mehr ausreichend gestillt werden, was die Amis dazu verleitet, in Europa den Sprit aufzukaufen.