Schily lässt Rot-Grün links liegen

Mit seinem Vorstoß für eine „Sicherungshaft“ gegen Terrorverdächtige verärgert der Bundesinnenminister die eigenen Parteifreunde. Wiefelspütz (SPD): „Paradigmenwechsel“ in Deutschland. Beck (Grüne): „Schutzhaft wird es nicht geben“

BERLIN taz ■ Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat mit seinem neuesten Vorstoß in der Antiterrorpolitik für Verwirrung und Verärgerung in der rot-grünen Koalition gesorgt. Wie der Sprecher Schilys gestern bestätigte, plant der Innenminister Gesetzesänderungen, um eine „Sicherungshaft“ für besonders gefährliche Terrorverdächtige zu ermöglichen, die aus menschenrechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden können.

In diesen Fällen müsse man überlegen, wie man die Gefahr „eindämmen“ und „möglichst beseitigen“ könne, sagte Schilys Sprecher. In einigen, „sehr herausgehobenen Fällen“ sollte es daher künftig die Möglichkeit einer Sicherungshaft geben, „die natürlich von einem Richter verhängt werden müsste“. Über notwendige Gesetzesänderungen solle bei den Verhandlungen mit der Union gesprochen werden.

„Es ist wenig hilfreich, wenn man so etwas über die Öffentlichkeit erfährt“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der taz. Bei der geplanten Sicherungshaft handele es sich um ein „überaus scharfes Instrument“, sagte der SPD-Politiker. „Da erwarte ich, dass das vorher intern abgestimmt wird.“ Wiefelspütz gehört der rot-grünen Verhandlungsgruppe an, die am Donnerstag zu weiteren Gesprächen mit den Vertretern der Union zusammentreffen soll.

Auch der grüne Verhandlungsführer Volker Beck zeigte sich überrascht. Schilys Pläne wollte er nicht kommentieren, weil er sie nicht kenne. Für die Grünen sei jedoch klar: „Man kann niemanden dauerhaft in Haft nehmen, der keine Straftat begangen hat.“

Gegenüber der taz erklärte Beck: „Wenn klar ist, dass eine Abschiebung nicht möglich ist, haben wir die Möglichkeit, Auflagen zu machen wie Bewegungseinschränkungen und Meldepflichten.“ Wenn nötig, könne die betreffende Person verpflichtet werden, in ihrem Wohnort zu bleiben und sich täglich oder mehrmals täglich bei der Polizei zu melden. „Schutzhaft gibt es in Deutschland nicht und wird es auch nicht geben.“

Wiefelspütz sagte, die Verhängung einer Sicherungshaft könne er sich „in extremen Ausnahmesituationen“ vorstellen. Man müsse sich aber klar sein, dass dies einen „Paradigmenwechsel“ bedeute. „Wenn Menschen in Haft genommen werden, ohne dass strafbares Handeln vorliegt und ohne dass ein Schuldspruch in Aussicht steht, ist das eine Maßnahme, die wir in dieser Tragweite im deutschen Recht bisher nicht kennen“, sagte Wiefelspütz. „Im Grunde läuft das darauf hinaus, dass solche Menschen interniert werden.“ Wenn überhaupt, sei dies „nur unter ganz, ganz scharfen Voraussetzungen“ denkbar. Darüber müsse nun intern geredet werden.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte: „Was da geplant ist, das muss man noch einmal sehr sorgfältig überprüfen.“ Bei allen Überlegungen müsse beachtet werden, dass auch Terrorverdächtige „nicht unbegrenzt in Haft“ genommen werden könnten. Unbeschränkte Haft sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. LUKAS WALLRAFF

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