Aberwitziger Buddhismus

Spirituelle Horrorfilme mit hellsichtigen Strippern, die aussehen wie Schwarzenegger: Mit „Running on Karma“ von Johnnie To beginnt eine große Hongkong-Filmreihe im Metropolis

von Eckhard Haschen

15 Filme – so viele aktuelle Arbeiten aus Hongkong waren in Europa außer auf Festivals noch nie am Stück zu sehen.

Der Zeitpunkt überrascht zunächst, heißt es doch schon länger, dass die Filmindustrie Hongkongs sowohl wirtschaftlich, des Erfolges von Shaolin Soccer ungeachtet, als auch künstlerisch in einer Krise stecke – von Ausnahmen wie Infernal Affairs abgesehen. Haben sich – aufgrund des Sonderstatus, den die ehemalige Kronkolonie nach der Rückgabe an China im Jahr 1997 nun besitzt – die Produktionsbedingungen auch nicht so grundlegend geändert, wie zu befürchten war, so wurden doch immer weniger Filme produziert. Und auch die Einnahmen gingen zurück.

Beides könnte sich jetzt durch ein seit Anfang dieses Jahres geltendes Handelsabkommen mit der Volksrepublik China – was für ein Markt! – ändern, nachdem die mit dem großen Bruder koproduzierten Filme dort nicht mehr unter die Quote von 20 ausländischen Filmen pro Jahr fallen.

Insgesamt scheint sich die Filmproduktion in Hongkong auszudifferenzieren. So gibt es verstärkt Koproduktionen mit Thailand oder Korea, wovon die Reihe ebenso Zeugnis ablegt wie von dem neu entstandenen Independent-Sektor, in dem immer mehr Regisseure kreative Freiräume finden und immer öfter auf Video drehen.

Scheinbar unbeeindruckt von den Veränderungen in der Industrie und dem Abwandern seiner prominenten Regisseurs-Kollegen wie John Woo oder Wong Kar-wei sowie vieler versierter Techniker hält Johnnie To (Fulltime Killer) mit jährlich drei bis vier Filmen die Stellung in seiner Heimat. Auch wenn sich das westliche Kino inzwischen viele vor allem inszenatorische Tugenden des Hongkong-Kinos angeeignet hat – so unerschrocken daherkommende Filme wie Running on Karma entstehen wohl nach wie vor nur in Hongkong.

Das beginnt schon bei Andy Lau, der darin muskelbepackt auftritt wie Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten, nur dass bei dem Megastar Asiens nichts davon echt ist – des chinesischen Originaltitels Da zhi lao (= „starker Mann“) ungeachtet. Und das geht weiter bei einem für westliche Augen immer wieder überraschenden Umschlagen vom Cop-Thiller in einen spirituellen Horrorfilm mit Elementen von Martial-Arts, Slapstick und romantischer Komödie. Aber Letzteres hat, auch wenn To seinen Buddhismus nicht halb so ernst nimmt wie Kim Ki-duk dies in Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling tut, von Anfang an keine Chance auf ein Happy Ending.

Wie die B-Seite von Kims Film kommt einem Running on Karma zuweilen vor. Sind es dort die (Un)taten, die man früh im Leben begeht, die man dann für den Rest seines Lebens wie einen Stein in seinem Herzen trägt, so sind es hier die (Un)taten, die man in seinen früheren Leben begangen hat, welche das eigene Schicksal bestimmen – das Karma eben. Dieses vermag der Stripper Biggie (Lau) bei den Menschen, denen er begegnet, in einer Art Vision zu erkennen. Und die Polizistin Yee (Cecilia Cheung), deren Weg Biggie kreuzt, hat nun einmal die größtmögliche aller Untaten begangen: Sie hat im Krieg als japanischer Soldat chinesische Gefangene enthauptet und demzufolge nun selber nicht mehr lange zu leben...

Dass Biggie, der in seinem eigenen Leben früher ein Mönch war, ihr bei ihrem Fall hilft und versucht, ihr schlechtes Karma zu ändern, mag noch gar nicht so weit von westlichen Plot-Mustern entfernt sein. Aber was dann kommt, ist aberwitziger, aber in sich vollkommen stimmiger Buddhismus...

Außer in dem nun endlich auch auf einer Hamburger Leinwand zu sehenden Gangsterepos Infernal Affairs tritt Andy Lau – hier wieder in seinen wirklichen Poportionen – als Exfreund der von einem Familienfluch heimgesuchten Heldin in Lee Chi-ngais Magic Kitchen auf. Kommt dieses kitchen movie, von denen es in Hongkong eine ganze Welle gegeben hat, fast noch schräger daher als Running on Karma, so befindet man sich mit dem allein erziehenden Polizisten in Going Home in vergleichsweise vertrauten Gefilden: Peter Chans einstündiger Thriller mit melancholischen Untertönen ist die Hongkong-Episode der panasiatischen Koproduktion Three.

Running on Karma: 1.4. 21.15 Uhr, 4.4 19.15 Uhr; Magic Kitchen: 2.4. 19 Uhr, 6.4 17 Uhr; Three – Going Home: 2.4 21.15 Uhr, 5.4 19.15 Uhr; alle Filme im Metropolis