Der Kaffee war schuld

Wegen „räuberischen Diebstahls“ kann belangt werden, wer beim Klauen erwischt wird und sich dann aus dem Staub macht. Peter B. bekam dafür eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung

Zuvor hatte er noch den Kaffee weggeworfen – „der war mir da schon völlig egal“

Bremen taz ■ Der Klau eines Päckchen Kaffees kann eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Diese Erfahrung musste der 62-jährige Peter B. machen, der gestern vor Gericht stand – wegen 2 Euro 99. Sein Fehler: Er hatte an dem Abend vor einem Jahr in der Karstadt Lebensmittelabteilung nicht nur den Kaffee gemopst, sondern sich zur Wehr gesetzt, als der Ladenhausdetektiv ihn in sein Büro bat. Wäre er mitgegangen, hätte man ihn nur wegen Ladendiebstahls belangen können – so aber wurde er wegen „räuberischen Diebstahls“ zu sechs Monaten verurteilt, allerdings auf Bewährung. Außerdem muss er 450 Euro in Raten zahlen.

„Ich wollte nur noch weg, das war mir peinlich“, verteidigte Peter B. seinen Fluchtversuch und das Gerangel mit dem körperlich unterlegenen Karstadt-Mitarbeiter. Außerdem wollte er nicht festgehalten werden „wie ein Schwerverbrecher“. Der Detektiv jedoch nahm von seinem gesetzlich geregelten „Jedermanns-Festnahmerecht“ Gebrauch, ließ nicht locker und verfolgte ihn bis auf den Liebfrauenkirchhof, wo Peter B. die Puste ausging. Zuvor hatte er noch den Kaffee weggeworfen – „der war mir da schon völlig egal“. Geklaut habe er nur, weil seine Freundin ihn gebeten habe, noch schnell Kaffee zu besorgen und ihm die Schlange an der Kasse zu lang war.

Doch das Gericht stimmte dem Staatsanwalt zu, dass der Kaffee eine „dominierende Hauptrolle“ gespielt und die Flucht der „Beutesicherung“ gedient hatte. „Ich denke, er wollte den Kaffee behalten“, vermutete Staatsanwalt Stefan Wachsmuth. Dafür spreche, dass Peter B. das Päckchen nicht sofort weggeschmissen habe. Er könne nicht glauben, dass dem Angeklagten sein Diebesgut nicht mehr wichtig war. „Das ist lebensfremd“, so Wachsmuth. Der Kaffee sei vielmehr das „Kerngeschehen“: „Wegen des Kaffees hat er sich ja auch geschämt.“ Diese Darstellung hielt wiederum der Verteidiger für abwegig. „Der wollte nur noch weg, er war aufgeregt“, so Rechtsanwalt Carsten Scheuchzer.

Für Peter B. spreche, so Richter Friedrich Wachs, dass er die Tat zugegeben und seinen Fehler eingesehen habe. Peter B. beteuerte, so etwas nie wieder tun zu wollen. Auch körperlich war ihm anzusehen, dass ihm die Sache ausgesprochen unangenehm war.

Schon einmal war er beim Ladendiebstahl erwischt worden. „Das war zu einer Zeit, als ich Sozialhilfe bezogen habe und es mir ganz schlecht ging.“ Am Tag vor Heiligabend habe er dann etwas gestohlen – „um etwas zu essen zu haben“. Zurzeit arbeite er als selbstständiger Transferfahrer: „Ich fahre Autos von A nach B.“ Seinen Nettoverdienst gab er mit 900 bis 1.000 Euro monatlich an. „Das ist ja nicht sehr viel, wenn man davon auch noch seine Altersicherung betreiben soll“, bemerkte der Richter. Auch handle es sich ja meistens um Scheinselbstständigkeit. „In meinem Alter findet man keine andere Tätigkeit mehr“, sagte der 62-Jährige, der früher mal „ein besseres Leben hatte“, wie es ein Zeuge ausdrückte. „Sie sind ja ein bisschen aus der Bahn geworfen worden“, so der Richter. Jetzt müsse Peter B. sich in den nächsten zwei Jahren bewähren. „Sonst gibt es ein halbes Jahr Oslebshausen.“ Wegen 2 Euro 99.Eiken Bruhn