Grüne ändern Grundgesetz

Partei hebt nach Urabstimmung den Grundsatz der Trennung von Amt und Mandat auf – aber nur für Parteichefs. Entscheidung über jahrelangen Streitpunkt mit beinahe 67 Prozent unerwartet eindeutig

BERLIN taz ■ Nach 23 Jahren haben die Grünen ihre Satzung geändert und die strikte Trennung von Parteiämtern und Parlamentsjobs gelockert. Die beiden Bundesvorsitzenden der Partei dürfen künftig auch als Abgeordnete arbeiten. Dies ist das Ergebnis einer Urabstimmung unter den Grünen-Mitgliedern, bei der 66,89 Prozent der Teilnehmer für die Satzungsänderung votierten. Für grüne Fraktionschefs und Minister gilt die Trennung von Amt und Mandat weiter.

Wegen der „breiten Zustimmung“ sei das Ergebnis „ein dauerhafter Kompromiss“, der die jahrelangen Debatten beenden werde, sagte Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke. Auch die amtierenden Parteichefs Reinhard Bütikofer und Angelika Beer begrüßten das Ergebnis und betonten, die Basis habe die Frage der Trennung von Amt und Mandat „endgültig entschieden“.

Der grüne Bundestags-Fraktionsvize Christian Ströbele erklärte im taz-Interview, er bedauere das Ergebnis: „Die Grünen gleichen sich den anderen Parteien immer mehr an.“ Erfreulich sei aber, dass die Entscheidung so klar ausgefallen sei. Ströbele hatte sich in den vergangenen Jahren immer für die Beibehaltung der Satzung eingesetzt. Nun räumte er ein: „Dieser Streit hat sich mit der unerwartet hohen Beteiligung und der großen Mehrheit nun erledigt.“

Die frühere Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte der taz, sie freue sich über das klare Votum: „Ich bin richtig stolz auf diese Partei.“ Die Grünen hätten sich „als reformfähig erwiesen“. Roth und Fritz Kuhn waren im Dezember als Parteichefs zurückgetreten, weil sie nicht die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung erhalten hatten. Eine Rückkehr komme zurzeit nicht in Frage. „Wir haben einen Bundesvorstand, und der macht gute Arbeit.“

Der baden-württembergische Grünen-Landeschef Andreas Braun kündigte an, nach dem „richtig guten“ Ergebnis der Urabstimmung werde er auch in seinem Landesverband eine Satzungsänderung vorschlagen. Auf dem Landesparteitag Ende Juni soll eine neue Regelung verabschiedet werden, wonach einer der beiden Landesparteichefs Abgeordneter sein darf.

LUKAS WALLRAFF

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