„Wenn der Ofen erst mal steht, ist es zu spät“

BUND-Abfallexperte Georg Heydecke: Bei mehr Müllvermeidung und -trennung reicht kleinere Verbrennungsanlage

taz: Herr Heydecke, Müllverbrennung ist immer noch Reizwort. Doch selbst bei Grünen kann man heute hören, dass wegen verbesserter Filter deutlich weniger Schadstoffe als früher aus dem Kamin kommen.

Georg Heydecke: Da hat sich doch unterm Strich nichts geändert. Was da oben rauskommt hält zwar die Richtwerte je Tonne ein – wobei man auch über Richtwerte immer streiten kann. Aber je mehr ich unten verfeuere, desto mehr kommt oben schließlich zusammen.

Die anstehende Entscheidung über eine Verbrennungsanlage verunsichert vor allem Anwohner möglicher Standorte. Sind die tatsächlich von Schadstoffen am meisten betroffen?

Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Schadstoffe in Hauptwindrichtung zehn bis fünfzehn Kilometer weit verbreiten. Die Anwohner in unmittelbarer Nähe kriegen am wenigsten ab, weil die Kamine hoch sind und das Zeug erst mal in die Höhe pusten.

Anwohner protestieren nicht allein gegen die Belastung, sondern teilweise noch mehr gegen zusätzlichen Verkehr durch eine Müllverbrennungsanlage. Zu Recht?

Natürlich. Überlegen Sie mal: Wenn Sie eine Anlage für eine viertel Million Tonnen haben, sind das bei 250 Werktagen im Jahr pro Tag 1.000 Tonnen Müll. Macht täglich 50 Lkws à 20 Tonnen, jeweils hin und her. Und das ist schon vorsichtig gerechnet.

Was ist denn die Alternative?

Müll vermeiden und den Restmüll viel stärker trennen als bisher. Die Hälfte bis drei viertel des jetzigen Restabfalls lassen sich wieder verwerten oder sowieso nicht verbrennen. Also bräuchte man nur eine wesentlich kleinere Anlage – die dann auch nicht so viel Verkehr in die Gegend bringen würde. Wenn aber so ein großer Ofen erst mal steht, ist es zu spät. Dann besteht gar kein Anreiz mehr zu Müllvermeidung und technischer Weiterentwicklung, dann geht es darum, das Ding am Brennen zu halten. Über weniger Müll denkt dann keiner mehr nach.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI