thunfischpizza und robbenbabys von JOACHIM SCHULZ
:

Dass mit der weiblichen Zuneigung zu Walen und Delphinen nicht zu spaßen ist, lernte ich bereits in jungen Jahren, als meine Schwester mal wieder vor dem Fernseher saß und „Flipper“ guckte.

Ich konnte „Flipper“ nicht ausstehen, weil er so verdammt rechtschaffen, ordnungsliebend und gesetzestreu war, dass er als Mensch bestimmt den Job eines Schulhausmeisters ergriffen hätte. Kaum aber hatte ich dies von mir gegeben, fixierte meine Schwester mich finster und ergriff einen ihrer Clogs: „Pock!“, machte der Clog auf meiner Schädeldecke, und ich sank wimmernd zu Boden. Die einzige Reaktion meiner Schwester auf dieses Wimmern indes bestand darin, den Fernseher lauter zu stellen, um die wichtigen Dialoge weiterhin ungestört verfolgen zu können. Insofern war ich vorgewarnt, als ich mich – lang ist’s her – frisch in die Liebste verguckt hatte und sie erstmals zu einem Kinobesuch abholte. Während sie im Bad letzte Hand an ihr Äußeres legte, stand ich staunend vor ihrem Bücherregal, wo sich mehrere Meter Bildbände über die Meeressäuger drängten.

Ich beschwor mich, das Thema jederzeit weiträumig zu umschiffen, vor allem aber niemals eine abschätzige Bemerkung über die Cetacea zu machen. Stattdessen bimste ich mir mit Hilfe einer autogenen Turbogehirnwäsche ein, dass Delphine die wahre Krone der Schöpfung seien und den Menschen hoffentlich sehr bald schon vom Thron des Weltenherrschers hinunterschubsten, um den Globus endlich mit einer wahrhaft friedlichen und gerechten Zivilisation zu überziehen. Mitunter allerdings rettete mich nur meine Geistesgegenwart. Als ich die Liebste kurz nach diesem Kinobesuch erstmals zum Essen ausführte und überlegte, eine leckere Thunfischpizza zu ordern, sprang sie entgeistert auf. „Thunfischpizza!“, stammelte sie, um mir alsdann zu erklären, dass die fragwürdigen Thunfischfangmethoden immer wieder auch zahllose Delphine das Leben kosteten.

Bevor sie mich aber nun einen gewissenlosen Schurken schelten und für immer von hinnen dampfen konnte, sprang ich ebenfalls auf: „Nie wieder“, rief ich lautstark, „werde ich einen Fuß in diese Kannibalenhütte setzen!“ Dann ergriff ich die Liebste und zog sie – der besten Pizza der Stadt für immer entsagend – aus dieser nichtswürdigen Speisegaststätte hinaus.

Obschon ich dadurch jedoch die dauerhafte Bewunderung meiner Angebeteten gewonnen hatte, kam es einmal fast zur Katastrophe, als sich – wieder hatte das Fernsehen damit zu tun – in einer Sendung über die blauen Meere so plötzlich ein Rudel Schwertwale auf ein paar possierliche Robbenbabys stürzte, dass ich mich am Rotwein verschluckte.

„Was ist? Willst du was sagen?“, fragte die Liebste diabolisch. „O nein“, stammelte ich, „es ist …“ – „… Natur!“, vollendete die Liebste zum Glück: „Die Orcas können ja nichts dafür, dass sie nicht als Vegetarier konstruiert worden sind!“

Und das schien mir in diesem Moment so einleuchtend zu sein, dass ich nur heftig nicken und zustimmen konnte: Denn schließlich hatte ich nicht das geringste Interesse daran, noch einmal einen Clog auf die Schädeldecke gezimmert zu kriegen.