berliner szenen Neon auf der Haut

Chicks On Speed

Von weitem sieht es aus wie ein Zirkus. Aus der Nähe betrachtet glaubt man, ein ganzer Container der Altkleidersammlung sei vor der Galerie Von Rot an Anwesende verteilt worden. Dort stolziert ein oranges Cocktailkleid vorbei, hier bahnt sich ein ausladender Tüllrock seinen Weg durch die coole Mitte. Das obligatorische abgewetzte T-Shirt fehlt ebenso wenig wie die abgeschnittene schwarze Jeans. Frauen und Männer prostituieren sich willig für ihr Selbstgesticktes. Wer nichts ist, macht umso mehr her.

So haben es ja die Gastgeberinnen des Abends auch geschafft: die drei rotzdreisten Mädels von Chicks On Speed. Sie präsentieren in hellen Hosenanzügen ihr neues Video „We Don’t Play Guitar“. Darin brüllen sie genau diesen Slogan etwa hundertmal heraus, malen sich bunte Neonfarben auf die Haut und spielen in Formation Luftgitarre. Berlins Electro-Queen Peaches hat einen göttlichen Auftritt als teuflische Rockerin. Leider weilt sie nicht unter der trinkfesten Brigade, die sich angesichts eines Ausschankpreises von 2,50 Euro in der Galerie an die Stirn tippt und den Imbiss am Rosenthaler Platz für Nachschub heimsucht. Die richtigen Player interessiert das nicht – und auch nicht der „Müllkippen-Style“, wie ein Mann im Anzug meint. Detlev Buck erscheint in einem Hemd, dessen Farbe Rätsel aufgibt und nur mit dunkel zu beschreiben ist. Man muss schon fünfmal hingucken, um den Regisseur zu identifizieren. Ebenso Christoph Ellinghaus: Die graue Eminenz des Berliner Indie-Pop tritt unerkannt in – Schock! – völlig normalen Klamotten auf. Er verdrückt sich umgehend in eine dunkle Ecke. Dort unterhält er sich mit einer Dame der Band, setzt sein Bier an, stockt und meint: „I can’t drink that anymore.“ Und ist raus. ULF LIPPITZ