Kaufkraft fehlt

betr.: „Aufschwung fraglich. Stimmungsbarometer sinkt weiter. Bundesregierung hält an Wachstumsprognose 2004 fest“, taz vom 27. 3. 04

Seit drei Jahren reden Politiker und so genannte Wirtschaftsweise vom „Silberstreifen am Horizont“ und prognostizieren optimistisch behutsames Wirtschaftswachstum. […] Kanzler Schröder redet ungeniert von ersten positiven Auswirkungen seiner Agenda 2010, obwohl er bisher nur die Arbeitslosenzahl mit statistischen Tricks herunterlog.

Inzwischen leben 30 bis 40 Millionen Deutsche von unzureichenden Renten, Arbeitslosengeld, Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die noch Arbeit haben, sind einer ungezügelten Lohndrückerei ausgesetzt, bekommen Schichtzulagen und Weihnachtsgeld gestrichen, und der Einzelhandel registriert enttäuscht einen Umsatzverlust von bis zu 14 Prozent im letzten Jahr. Es gleicht einer Verhöhnung der Verbraucher, ihnen Kaufunlust zu unterstellen, obwohl es ihnen schlichtweg an Kaufkraft fehlt, die das wahre Dilemma der Wachstumsschwäche ist.

Es wird immer noch an dem Irrglauben festgehalten, wenn es den Unternehmern gut geht, profitiert davon auch der Arbeitnehmer. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Was sich jetzt in der Wirtschaft abspielt, ist das Ergebnis von über 25-jähriger Lohndrückerei, rücksichtsloser Freisetzung von Arbeitskräften und unpatriotischem Export von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer bei ungebremster Profitgier. […] Solange die Unternehmer nicht erkennen, dass sie mit ihrer Strategie den Ast absägen, auf dem sie sitzen, wird der von ihnen protegierte Kapitalismus genauso enden, wie der von ihnen erfolgreich bekämpfte Kommunismus. […]

HANS KLOEP, Bergisch Gladbach