Scharon gerät unter den Druck der Justiz

Israelische Staatsanwältin empfiehlt ein Verfahren gegen den Premierminister in der Schmiergeldaffäre. Die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft steht noch aus. Koalitionspartner fordern vorübergehenden Rücktritt

JERUSALEM taz ■ „Die Insel ist in unseren Händen“, soll Israels Premierminister Ariel Scharon in einem Telefonat mit dem Bauunternehmer David Appel erklärt haben. Gemeint ist die griechische Insel, auf der Appel ein Touristenzentrum errichten wollte. Im Verlauf desselben Telefonats stellte der Bauunternehmer dem Sohn Scharons, Gilad, einen hoch dotierten Job in Aussicht.

Wegen Bestechung muss sich Appel seit Ende Januar vor Gericht verantworten. Diese Woche übergab die Staatsanwältin Edna Arbel dem israelischen Generalstaatsanwalt Menachem Masus ihre Empfehlung, auch gegen Scharon Anklage zu erheben. Die Entscheidung wird innerhalb der kommenden vier Wochen erwartet. Koalitionspartner wie Oppositionspolitiker fordern den sofortigen Rücktritt des Premierministers. Rein rechtlich ist er dazu nicht verpflichtet.

Die Affäre begann 1998, als Appel Kontakte zur griechischen Regierung aufnahm, um sein Immobilienprojekt voranzutreiben und Baugenehmigungen zu erhalten. Vize-Premierminister Ehud Olmert, der damals Bürgermeister von Jerusalem war und ebenfalls in die Affäre verwickelt ist, soll eigens einen Empfang ausgerichtet haben. Mindestens ein Abendessen für Appel und den griechischen Vizeminister fand bei Scharon zu Hause statt. Im Gegenzug, so die Anklage gegen Appel, habe der Bauunternehmer den Wahlkampf sowohl Olmerts, gegen den es aus Mangel an Beweisen keine Anklage geben wird, als auch Scharons finanziell unterstützt sowie Gilad Scharon monatlich 10.000 US-Dollar für „Beratungen“ und „verschiedene Aufgaben“ gezahlt. Ferner sollen „hunderttausende US-Dollar“ auf das Konto der Familie Scharon überwiesen worden sein.

Staatsanwältin Arbel interpretiert Scharons Satz „Die Insel ist in unseren Händen“ als sein Einverständnis zu dem Handel. Bei polizeilichen Verhören erklärte der Premierminister, sich nicht mehr erinnern zu können, in welchem Kontext der Satz gesagt wurde und dass es sich dabei vermutlich um „einen Witz“ handelte. Arbel überzeugte er nicht.

Am Montag musste die Familie Scharon einen weiteren Schlag einstecken, als der Oberste Gerichtshof in Jerusalem im Revisionsverfahren Gilad Scharons gegen ihn entschied und ihn zur Aushändigung aller Dokumente und Videoaufnahmen verpflichtete, die mit der Affäre zu tun haben. Das gesamte Rechtsverfahren zog sich über acht Monate hin.

Jossi Sarid (Meretz) wandte sich im Verlauf einer Sitzung des parlamentarischen Außen- und Sicherheitsausschusses an Scharon und fragte, wie er regieren könne, während solch eine „dunkle Wolke der Anschuldigungen“ über ihm hänge. Scharon erwiderte: „Besser denn je.“ Auch aus den Reihen der eigenen Koalition wurde unterdessen Kritik laut. Justizminister Tommi Lapid (Schinui) will dem Premierminister Zeit zur Aussetzung seines Amtes geben, bis es „tatsächlich zur Anklage kommt, wenn überhaupt“. Lapids Parteifreund, Infrastrukturminister Josef Paritzki, drohte hingegen bereits mit einem Ausscheiden aus der Koalition. Der rechts-nationale Tourismusminister Benni Elon freute sich über die Empfehlung der Staatsanwältin, mit der alle politischen Pläne vorerst auf Eis gelegt werden, darunter zuallererst der einseitige Abzug aus dem Gaza-Streifen. Er gehört zu den Ministern, die Scharon wegen seines Plans zur Evakuierung einiger jüdischer Siedlungen scharf kritisieren.

Scharon will nach seiner Rückkehr aus den USA Mitte April die Abzugspläne dem Kabinett vorlegen und kündigte bereits am Montag an, dass er „noch am gleichen Tag“ eine neue Regierung bilden werde, sollten seine derzeitigen Koalitionspartner aussteigen wollen. Die Arbeitspartei wird indes zögern, mit Scharon zusammenzugehen, solange die Korruptionsaffäre nicht geklärt ist.

Über die Empfehlung einer Anklage gegen Scharon entscheidet nun Generalstaatsanwalt Menachem Masus. Bis dahin können jedoch nach Angaben aus Justizkreisen Monate vergehen.

SUSANNE KNAUL